Glücksregeln für den Alltag
Mentor, der sie weit über die Grenzen des Lehrsaals hinaus inspirierte und beeinflusste. Ich konnte mir leicht die zahllosen Studenten vorstellen, die im Laufe seiner vierzigjährigen Karriere von seiner Freundlichkeit, seiner Hilfsbereitschaft und dem echten Interesse, das er an der jeweiligen Berufslaufbahn seiner Studenten hatte - selbst dann, wenn sie Chemie nur im Zweitfach studierten -, inspiriert worden waren.
Ich bin sicher, ich bin nicht der Einzige, der sich noch heute, viele Jahre später, gern an ihn erinnert. Man kann unschwer erraten, welcher Professor ein glücklicheres Leben - sowohl in der Arbeit als auch zu Hause - führte.
I ch bemerkte, dass ein paar Mitarbeiter des Dalai Lama und einige Mitglieder seines Mitarbeiterstabs draußen auf der Veranda herumstanden, schaute auf meine Uhr und sah, dass wir dabei waren, die Zeit zu überschreiten. Mir kam es so vor, als hätten wir eben erst begonnen. Ich vermute, dass ich, während wir über den Flow diskutiert hatten, in eben diesen Zustand gekommen war. Der Dalai Lama schien es nicht eilig zu haben, unser Gespräch zu beenden. Er schwieg ein paar Sekunden lang, als sei er ganz in Gedanken versunken.
Endlich sprach er und fügte unserer Diskussion noch eine andere Dimension hinzu: „Ich glaube, bei diesen Themen ist es wichtig, ein umfassenderes Gesamtbild im Auge zu behalten. Wir konzentrieren uns im Moment auf die Arbeit und darauf, wie sie mit dem Glück zusammenhängt, und natürlich können wir weiterhin darüber reden, wie man bei der Arbeit noch glücklicher werden könnte. Aber es ist durchaus möglich, dass ein Mensch, der eine sehr routinemäßige Arbeit verrichtet, eine Arbeit, die vielleicht keinerlei Herausforderungen bietet, ja sogar langweilig ist, dennoch sehr glücklich sein kann. Die Welt ist voll von diesen Beispielen. In solchen Fällen haben die Menschen vermutlich andere Quellen der Befriedigung und der Erfüllung, sie stützen sich nicht auf die Arbeit, um glücklich zu sein.
Nehmen Sie das Beispiel eines Arbeitnehmers, der einen sehr eintönigen, monotonen Job hat und jeden Tag vom frühen Morgen bis zum späten Abend arbeitet. Wenn ein solcher Mensch keine andere Quelle der Befriedigung als seine Arbeit hat, wenn er kein Leben außerhalb der Arbeit hat und nur wenig Zeit mit seiner Familie und seinen Freunden verbringt, ja wenn er nicht einmal Freundschaften in seinem Arbeitsumfeld pflegt, dann besteht vermutlich die Gefahr, dass er unglücklich wird und sogar seelische Probleme bekommt. Nehmen wir hingegen einen anderen Menschen, der dieselbe eintönige Arbeit verrichtet, doch Interesse an Dingen außerhalb seines Jobs hat, der Zeit mit seiner Familie verbringt und mit seinen Freunden ausgeht, so ist dieser Mensch eindeutig glücklicher. Er hat vielleicht keine interessante Arbeit, aber er kann dennoch ein interessantes Leben führen. In diesem Fall nutzt er seinen Job einfach als Mittel zum Geldverdienen, doch seine Befriedigung und seine Erfüllung findet er in erster Linie in anderen Bereichen seines Lebens.
Daher sollte ein glückliches Leben vielseitig sein, es sollte ganzheitlich und umfassend sein. Man sollte sich nicht nur auf seinen Job oder aufs Geld konzentrieren. Das ist wichtig.“
A uch wenn wir unsere Arbeit lieben, wird es früher oder später Zeiten geben, wo uns unsere Arbeit weniger fesselt, wo sie uns vielleicht sogar langweilt, uns irgendwie nicht mehr ganz zufrieden stellt. Das kann mit einem Wendepunkt in unserer Karriere Zusammenhängen. Viele Menschen deuten diesen Verlust von Begeisterung als ein Signal, als Zeichen dafür, dass sie den falschen Beruf haben. Sie sagen sich: „Vielleicht bin ich einfach im falschen Job und es wird Zeit, dass ich mir etwas Neues suche, was in mir wieder die frühere Freude und Begeisterung weckt.“ Natürlich mag das manchmal zutreffen, doch ehe man beginnt, die Stellenanzeigen zu studieren, kann es klug sein, erst einmal innezuhalten und die Situation zu betrachten. Der Dalai Lama hat betont, dass es zur menschlichen Natur gehört, hin und wieder Langeweile bei der Arbeit zu verspüren. Er selbst gibt sein Mönchsdasein nicht auf, auch wenn es ihn manchmal ermüden sollte. Zumindest bis jetzt nicht. Dies ist das Prinzip der Anpassungen die Arbeit, dem Menschen sozusagen angeboren, ein altbekanntes Merkmal der menschlichen Natur, das von Psychologen eingehend studiert und belegt worden ist: Ganz gleich, was das Leben uns an Gutem oder Schlechtem bringt - wir
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