Glücksregeln für den Alltag
haben die Tendenz, uns an die jeweiligen Lebensumstände anzupassen.
Als der Dalai Lama in einem späteren Gespräch noch einmal kurz auf dieses Problem zu sprechen kam, stellte er fest: „Menschen neigen dazu, sich an Dinge zu gewöhnen, und verlieren eben manchmal ihre Begeisterung. Ein neuer Job mag für jemanden im ersten Jahr sehr stimulierend sein; seine Leistungen wecken in ihm vielleicht das Gefühl von Erfüllung. Aber wenn man diesen Menschen im zweiten Jahr nach seiner Stimmung bei der Arbeit fragte, würde er vielleicht eine vollkommen andere Antwort geben.“
Das Prinzip der Anpassung besagt, dass wir uns, ganz gleich, wie viel Erfolg oder Glück wir erleben, aber auch wie viel Widriges oder Tragisches uns zustößt, normalerweise früher oder später an die neuen Bedingungen anpassen und schließlich wieder unser gewohntes Maß an täglicher Glücksempfindung erreichen. In einer an der University of Illinois durchgeführten Studie fanden Forscher heraus, dass Menschen nach einem Unglücksfall oder nach einem freudigen Ereignis innerhalb von sechs Monaten zu ihrem gewohnten Glückszustand zurückgekehrt waren und das Erlebte keinen Einfluss mehr darauf hatte. Das heißt, Sie könnten auch unerwartet zum Generaldirektor befördert werden mit dem Dreifachen Ihres früheren Gehalts, oder Sie könnten ganz plötzlich in Ihrer Arbeit den verheerendsten Misserfolg erleben - weniger als ein Jahr später werden Sie feststellen, dass Sie genau so glücklich sind wie zuvor.
Dafür gibt es natürlich einen Grund: Evolutionspsychologen vertreten die Meinung, dass dieses Charakteristikum seine Ursache in der entfernten Vergangenheit unserer Spezies hat. Dieser adaptive Grundzug trug zu unserem Überleben bei. Wäre man über einen Erfolg oder eine bestimmte Leistung andauernd glücklich, befände man sich also im ständigen Zustand des Glücklichseins, so würde sich dies negativ auf die Motivation auswirken, kontinuierlich neue Fertigkeiten zu entwickeln, innerlich an sich zu arbeiten und Fortschritte zu machen. Jegliche Initiative würde im Keim erstickt. Wenn wir Menschen umgekehrt von Natur aus dazu neigten, wegen eines Misserfolgs oder Verlustes andauernd deprimiert oder entmutigt zu sein, wenn Monate und Jahre so vergingen und das Erlebte noch immer genauso präsent wäre wie am Tag des Geschehens, dann wäre auch dies ein Hemmnis und würde die Überlebenschancen verringern: die Möglichkeit, Gene weiterzugeben und Nachkommen zu zeugen.
Daher sollten wir Leben und Arbeit in Balance bringen, meint der Dalai Lama. Ganz gleich, wie befriedigend eine Arbeit ist, es wäre ein Fehler, unsere Zufriedenheit nur aus ihr zu beziehen. So wie wir, um gesund zu bleiben, abwechslungsreiche Kost mit einer Vielzahl von Vitaminen und Mineralien brauchen, so brauchen wir Abwechslung in unseren Aktivitäten, die uns Freude machen und mit Befriedigung erfüllen. Wenn wir erkennen, dass das Prinzip der Anpassung etwas Normales ist, können wir uns darauf einstellen, indem wir ganz bewusst eine ganze Anzahl von Aktivitäten pflegen, die wir gerne tun. So kann man sich etwa ein Wochenende Zeit nehmen und in Ruhe ein Verzeichnis anlegen, in dem man die Dinge auflistet, die man gerne tut, Begabungen und Interessen aufführt und außerdem ein paar neue Dinge, die einem vielleicht ebenfalls Freude machen könnten. Das mag Gärtnern, Kochen, eine Sportart, das Lernen einer neuen Sprache oder eine ehrenamtliche Tätigkeit sein - irgendeine Aktivität, bei der man seine Fertigkeiten entwickeln und üben kann. Wenn sich die
Arbeit einmal etwas dahinschleppt, haben wir so die Möglichkeit, uns der Familie, den Freunden, den Hobbys und anderen Interessen zuzuwenden, die dann unsere primäre Quelle der Befriedigung sein werden. Und wenn wir unsere Interessen und unsere Aufmerksamkeit eine Zeit lang auf andere Aktivitäten verlagern, wird der Zyklus wieder neu beginnen und wir können mit neuer Begeisterung zu unserer Arbeit zurückkehren.
FÜNFTES KAPITEL
JOB, KARRIERE UND BERUFUNG -DIE FRAGE NACH DEM TIEFEREN SINN
Am folgenden Tag nahmen wir unser Gespräch wieder auf.
„Wir sagten, dass es immer wieder darauf ankomme, Distanz zu gewinnen und sich das Gesamtbild vor Augen zu halten. Bisher haben wir ein paar der ,normalen' Quellen der Unzufriedenheit in der Arbeit festgehalten: Langeweile, mangelnde Autonomie und schlechte Bezahlung und so weiter. Und Sie haben Quellen der Zufriedenheit angesprochen, Faktoren wie menschliche
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