Glücksregeln für den Alltag
Erwerbslosigkeit einer von wenigen Faktoren ist, die die Zufriedenheit im Leben ganz wesentlich beeinträchtigen.
„Es ist eine erwiesene Tatsache, dass Erwerbslosigkeit und Unzufriedenheit Zusammenhängen“, begann ich ein weiteres Gespräch mit dem Dalai Lama. „Das ist ein großes Problem auf der ganzen Welt, und ich wüsste gerne, ob Sie sich darüber schon einmal Gedanken gemacht haben.“
„Wissen Sie, erst als ich mit den westlichen Gesellschaften vertrauter wurde, erfuhr ich, welch unmittelbaren Einfluss die Arbeitslosigkeit auf Familien und Einzelpersonen hat. Und das überraschte mich etwas, denn ich hatte niemals zuvor davon gehört. In der tibetischen Sprache haben wir nicht einmal ein Wort für Arbeitslosigkeit.“
„Warum?“, fragte ich leicht erstaunt.
„Nun, wenn wir hier über Beschäftigung oder Jobs sprechen, meinen wir im Allgemeinen die Art Job, den man von neun Uhr morgens bis fünf Uhr nachmittags tut und der in den westlichen
Ländern so üblich ist. Der traditionellen tibetischen Gesellschaft ist dieser Arbeitsbegriff vollkommen fremd. Natürlich spreche ich nicht von den vielen modernen Tibetern, die im Westen oder in städtischen Räumen leben. Aber in der traditionellen tibetischen Gesellschaft waren die Menschen zumeist Bauern, Hirten oder Händler. Die Vorstellung von festgesetzten Arbeitsstunden existierte ganz einfach nicht. Im Westen sind die ökonomischen Bedingungen und die gesellschaftlichen Strukturen so, dass diese Art der Beschäftigung ein integraler Bestandteil des Arbeitsbegriffs ist.
Bei den Tibetern sind die wirtschaftlichen Bedingungen zumindest traditionellerweise so, dass diese ,Von-neun-bis-fünf-Jobs‘ in der Arbeitswelt keinen wirklichen Platz haben. In Tibet ist man entweder Bauer oder Nomade oder Händler. Die Arbeit ist saisonbedingt. Da man an dieses Muster gewöhnt ist, wird es als normal angesehen. Wenn Sie sich also die Menschen betrachten, die hier in McLeod Ganj 5 leben, so werden sie feststellen, dass eine große Anzahl inzwischen Läden besitzt und viele ein traditionelles saisonbedingtes Handelsgewerbe in den indischen Städten betreiben. Während der Saison arbeiten sie sehr hart und wenn diese zu Ende ist, kehren sie zurück und haben keine Beschäftigung mehr. Daher habe ich einmal vorgeschlagen, wir könnten doch außerhalb der Saison ein Beschäftigungsprogramm für sie in die Wege leiten, in dessen Rahmen sie zum Beispiel Wolle oder Baumwolle reinigen. Aber sie hatten keine Auffassung von Beschäftigungslosigkeit, daher hatte mein Vorschlag kaum Wirkung.“
Er rieb sich gedankenversunken das Kinn. „Natürlich ist das Problem der Arbeitslosigkeit in den modernen Gesellschaften und insbesondere in den industrialisierten Staaten ein sehr schwieriges.“ Er seufzte. „Dafür gibt es nicht so ohne weiteres Lösungen.
Man hat keine andere Wahl als zu versuchen, mit der Situation zurechtzukommen und sich nach Kräften zu bemühen, eine neue Arbeit zu finden. Eine andere Möglichkeit gibt es wohl nicht.
Dennoch spielt auch hier wieder die grundsätzliche Einstellung des Einzelnen eine sehr wichtige Rolle, und es gibt große Unterschiede in der Art und Weise, wie jemand auf Arbeitslosigkeit reagiert. Selbst wenn die Situation unserer Kontrolle entzogen ist, können wir doch unsere Einstellung und Haltung einigermaßen kontrollieren. Zuallererst müssen wir uns bewusst machen, dass Ungewissheit und Veränderung - vor allem in Bezug auf Beschäftigung - heute zu modernen Gesellschaften dazugehören. Das ist ein ernstes Problem, aber eine Tatsache, die wir akzeptieren müssen. Es gibt keine Garantie dafür, dass wir, wenn wir heute einen Job haben, ihn auch morgen noch haben werden. Wenn wir dies im Voraus wissen, dann reagieren wir vielleicht auch anders, wenn wir diese Arbeit verlieren. Dann sind wir nicht mehr wie vor den Kopf geschlagen, als seien nur wir als Einzige davon betroffen und sonst niemand. Wir verstehen, dass der Verlust des Jobs viele Faktoren hat, dass er das Ergebnis vieler Ursachen und Umstände ist. Wir verstehen, dass die Ursachen dafür oftmals in globalen wirtschaftlichen Problemen liegen. Falls wir also mit dem Verlust der Arbeit konfrontiert sind, werden wir ihn nicht persönlich nehmen oder versuchen, jemand anderem die Schuld an unseren Problemen zu geben. Dies allein kann schon dazu beitragen, dass wir uns weniger darüber aufregen. Natürlich sprechen wir hier über Arbeitslosigkeit, die ihren Grund in weit
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