Glücksregeln für den Alltag
haben eine Berufung. Solche Menschen betrachten ihre Arbeit als sinnvoll, sehen ein weiter reichendes Ziel darin und leisten im Idealfalle sogar einen Beitrag für das Wohl der Gesellschaft oder der Welt.
Doch trotzdem genügt dies aus der Sicht des Dalai Lama nicht, um langfristig zufrieden zu bleiben. Warum? Stellen Sie sich einen Computerhacker vor, der hart arbeitet, um in die Sicherheitssysteme einzubrechen und anderer Leute Gelder zu stehlen, und dabei Millionen Computerviren ausschickt. Dieser Mensch liebt vielleicht, was er tut; er bringt ganze Stunden im Zustand des „Flow“ zu, meistert schwierigste Herausforderungen mit all seinem Talent und Wissen, mit seiner ganzen Kreativität und seinem ganzen Einfallsreichtum. Computer sind sein Leben und vielleicht stimmt seine Arbeit sogar vollkommen mit seinen inneren Werten überein - in seinem Fall ein Wertesystem, das auf der uralten Philosophie beruht: „Was kümmern mich die anderen!? Ich nehme, was ich kriegen kann! Ich frage niemanden zuvor um Erlaubnis!“ Und ganz bestimmt haben seine Anstrengungen weit reichende Auswirkungen, denn es ist durchaus möglich, dass er Millionen Menschen einen verheerenden Schaden zufügt, wenn Computer auf der ganzen Welt abstürzen. Auch dieser Mensch hat eine Berufung. Und dies trifft auch auf viele professionelle Verbrecher zu, Betrüger und andere Leute, denen ihre Aktivitäten einen solchen Kick verschaffen, dass niemals eine andere .Arbeit“ für sie in Frage käme, es sei denn, sie würden vom Rechtssystem dazu gezwungen oder würden durch irgendeinen Umstand eine bedeutende Wandlung ihrer Einstellung und inneren Werte durchmachen. Unter diesem Aspekt ist es sogar denkbar, dass ein Aufseher in Auschwitz in seinem bösen, deformierten Geist seine Arbeit als Berufung ansah und meinte, er leiste einen Beitrag zum Wohle der Welt.
Es ist nicht zu leugnen, dass auch Menschen, die etwas tun, mit dem sie anderen bewusst Schaden zufügen, sich zeitweilig zufrieden fühlen können. Aber vom Standpunkt des Dalai Lama aus sind die Geistesverfassungen, die zu destruktiven Aktivitäten führen, Geistesverfassungen wie ungezügelte Flabgier, Feindseligkeit, Wut oder auch Hass, ganz einfach unvereinbar mit langfristigem Glück.
Natürlich sind die von mir angeführten Beispiele von Verbrechern oder Völkermordfanatikern sehr extreme Fälle, und wie der Dalai Lama oft sagt, ist das Leben komplex; folglich kann eine Arbeit in unterschiedlichem Ausmaß Schaden bringen oder dem Wohl dienen, und manchmal sind die Grenzen fließend. Aber wenn wir unser Glück langfristig sichern wollen, können wir damit beginnen, dass wir uns bewusst machen, welche Auswirkung unsere Arbeit auf andere hat.
Im Laufe der Jahre habe ich zuweilen erlebt, dass der Dalai Lama gebeten wurde, seine Philosophie in einem einzigen fundamentalen Prinzip zusammenzufassen. Auf diese schwierige Bitte erwidert er oft: „Wenn du kannst, diene anderen. Wenn nicht, unterlasse es, ihnen zu schaden.“ Wenn wir in unserem Beruf nach diesem Grundsatz handeln können, sind wir auf dem besten Weg, die Glücksregeln in unserem Alltag zu verwirklichen.
NEUNTES KAPITEL
HAPPINESS AT WORK – ARBEIT, IN DER MAN GLÜCK FINDET
D ie Gespräche, die wir im Hause des Dalai Lama in Dharamsala zu dieser Thematik führten, kamen nun zu einem Ende. Wir hatten bisher versucht, verschiedene Arten der Beschäftigung zu erörtern, ein paar der häufigsten Ursachen für Unzufriedenheit zu erkunden und Strategien zu entwickeln, mit denen man möglicherweise zufriedener werden kann.
Als ich auf der engen, schmutzigen Straße, die zum Haus des Dalai Lama führte, langsam den Hügel hinauftrottete, an Ladeninhabern und Händlern vorbei, die ihren täglichen Beschäftigungen nachgingen, musste ich daran denken, dass viele Menschen, ob in Indien oder in meiner Heimatstadt, von früh bis spätabends arbeiten, manche sogar noch länger. Doch eine Frage war noch unbeantwortet: Wie passt die Arbeit in unsere ganz allgemeine Suche nach Glück? In welchem Umfang hat die Befriedigung, die wir bei der Arbeit empfinden, einen Einfluss auf unsere grundsätzliche Zufriedenheit im Leben und auf unser Glück?
I ch begann unser letztes Gespräch mit einer Rückschau: „Bisher haben wir über unsere Einstellung zur Arbeit und über ein paar der Faktoren gesprochen, die unsere Zufriedenheit in der Arbeit beeinflussen können. Da heute unser vorläufig letztes Treffen ist, möchte ich gerne mit Ihnen
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