Glücksspiel der Liebe
hätte sicher ebenso gehandelt, wäre dein Onkel Charles so früh gestorben. Doch ich musste mich um Olivers Zukunft kümmern und hatte daher eine Verantwortung. Dennoch«, grübelte sie, »hatte ich auch meine schönen Erlebnisse.«
»Tante Edwina!« Fiona blickte sie überrascht an. Vielleicht würde ihre Tante am Ende doch verstehen, was zwischen Jonathon und ihr vorging?
»Herrje, ich wollte dich nicht schockieren. Ich habe nicht etwa ein skandalöses Leben geführt.« Die ältere Frau lächelte zufrieden. »Aber ich habe mir die Jahre über auch nicht jegliches Amüsement versagt. Es wäre allerdings sicherlich besser, das Oliver gegenüber nicht zu erwähnen. Ich würde nur ungern die Illusionen des armen Jungen über seine Mutter zerstören. Zumal er, soweit ich unterrichtet bin, recht leicht aus der Fassung zu bringen ist.«
Fiona schluckte ein Lachen herunter. »Ohne Zweifel.«
»Aber genug davon, Fiona.« Tante Edwina nahm die Hand ihrer Nichte und sah ihr in die Augen. »Du sollst wissen, dass ich entzückt bin, dich und deine Schwestern hier zu haben. Das ist jetzt euer Zuhause und ich würde mich freuen, wenn ihr es als solches betrachtet. Und zwar für immer.«
Diese Erklärung traf Fiona mitten ins Herz. Sie hatte ernst gemeint, was sie über sich und ihre Schwestern als arme Verwandte, abhängig von den Almosen anderer Leute, gesagt hatte. Bis sie heiratete, würden sie eben genau das bleiben. Doch von all dem hatte Tante Edwina keinerlei Kenntnis, und Fiona wurde unvermittelt bewusst, dass es für sie auch keine Rolle spielen würde. Ihre Tante war einfach ein großzügiger und gutherziger Mensch. Zweifellos würde sie die Mädchen immer als Familienmitglieder behandeln.
»Wir sind keine große Familie, Fiona. Oliver ist der letzte seines Geschlechts, und du und deine Schwestern sind die einzigen verbliebenen Fairchilds. Außer meinem Sohn habe ich nur euch«, erklärte Tante Edwina schlicht.
Wäre es denn so falsch, das Heim anzunehmen, das ihre Tante ihnen bot - und wenn auch nur um ihrer Schwestern willen?
Tante Edwina seufzte theatralisch. »Ich habe mir immer so sehr eine eigene Tochter gewünscht.«
Fiona verbiss sich ein Lächeln.
»Es wäre ein Jammer, wenn die einzige Familie, die wir noch haben...«
»Genug, Tante Edwina, genug. Natürlich betrachten wir das als unser Zuhause und wir sind dir überaus dankbar.« Fiona musste jetzt wirklich lachen.
»Sehr gut.« Die Tante strahlte. »Jetzt müssen wir nur noch eine gute Partie für dich finden und alles auf der Welt ist wieder in Ordnung. Dafür müssen wir nicht einmal die nächste Saison abwarten, weißt du. Lady Chesters Ball ist die perfekte Gelegenheit, außerdem wird es dort nicht annähernd so viel Konkurrenz geben wie auf späteren Bällen.«
»Wie... günstig.« Fiona zwang sich zu einem Lächeln.
»Obwohl es natürlich im Frühling weit mehr Anlässe gäbe, Bekanntschaften zu schließen«, fuhr Tante Edwina ohne Pause fort. »Es gibt dann so zahlreiche gesellschaftliche Ereignisse, dass man kaum Atem schöpfen kann. Wenn du bis dahin noch keinen Ehemann gefunden hast, haben wir dich dennoch noch vor Abiaul der Saison glücklich verheiratet.« Zuversichtlich tätschelte sie die Hand ihrer Nichte. »Du musst dir überhaupt keine Sorgen machen.«
»O, ich mache mir keinerlei Sorgen«, log Fiona. In Wahrheit wäre sie, falls der Plan mit dem Buch keinen Erfolg hatte, bis zum Frühjahr längst mit Wieheißternoch verheiratet und würde unter den Wilden in Amerika leben.
»Was deine Schwestern betrifft — ich weiß, ich bin selbstsüchtig, aber ich hoffe sehr, dass wenigstens die Zwillinge nicht schon in diesem Jahr einen Gatten finden. Ich würde mich sehr freuen, wenn wir nach dieser Saison noch an einer weiteren teilnehmen könnten. Es ist nicht ausgeschlossen, dass ich aufgeregter über die ganze Angelegenheit bin als sie.«
Die Begeisterung ihrer Tante war ansteckend und Fiona musste grinsen. »Ich bin sicher, wir alle werden uns ausgezeichnet unterhalten.«
»O ja, das werden wir. Seit meiner eigenen Einführung in die Gesellschaft habe ich mich nicht mehr so auf eine Ballsaison gefreut.« Tante Edwina seufzte verzückt. »Ich sage dir, Fiona, ich liebe Oliver von ganzem Herzen, aber ein Sohn ist einfach nicht dasselbe. Junge Damen und ihre Mütter suchen nach geeigneten Ehemännern, aber junge Männer suchen nur nach Fluchtmöglichkeiten. Was ihre armen Mütter dazu verdammt, gequält zu lächeln und sich
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