Glueckstankstellen

Wenn die Ehe nicht mehr als glücklich empfunden wird, erfolgt die Scheidung, um dann erneut zu heiraten. Auf diese Weise können ebenfalls mehrere Partner, aber nacheinander und gesellschaftlich anerkannt, geliebt werden, und dies so, wie die Seele es braucht und mag.
    Liebe ist ein dynamischer Vorgang, der jeden Tag von zwei Menschen neu definiert werden muss. Das einmal gegebene Ja-Wort zur Ehe wird täglich von vielen Faktoren beeinflusst. Jede Empfindung, jeder Wunsch, jedes Bedürfnis, jeder Gedanke verändert unser Sein und damit unsere Einstellung zu uns selbst und unserem Partner. Eine realistische Chance hat die Liebe nur dann, wenn sich jeder seinem Wesen entsprechend entfalten und entwickeln kann und darf. Eine glückliche, fördernde Partnerschaft fällt also nicht vom Himmel, sondern es muss jeden Tag aktiv etwas dafür getan werden.
    Mit am wichtigsten ist, wie wir miteinander kommunizieren. Wir sollten uns bemühen, immer dialog- und diskussionsfähiger zu werden. Wie sieht es außerdem aus mit unserem Zärtlichkeitspotenzial? Können wir genug Wärme und Geborgenheit vermitteln? Eine gelungene Partnerschaft benötigt auch Abgrenzungs- und Wahrnehmungsfähigkeiten.
    Krisen sind völlig normal und im eigentlichen Sinne wichtige Informationsquellen, meint der Paartherapeut Michael Mary. Wenn zwei Egos aufeinanderprallen, ist auch Streiten in Ordnung, da nicht alle Dinge friedlich gesagt und harmonisch gelöst werden können. Doch es ist wichtig, Harmonie-, Friedens- und Kompromissfähigkeiten einzuüben. Innerhalb einer Liebesbeziehung wechseln die Liebesgefühle zwischen partnerschaftlich, leidenschaftlich, freundschaftlich und wohlwollend, und es besteht immer wieder Regulierungsbedarf.
    Polyamorie
    Hier beschließen Menschen, Liebesbeziehungen mit mehr als einem Menschen zur gleichen Zeit zu haben, und zwar mit dem Wissen und Einverständnis aller beteiligten Partner.
    Polyamore Beziehungen sind ebenfalls auf Vertrauen, Langfristigkeit, Freundschaft, Wohlergehen und Liebe angelegt. Es wird den Partnern zugetraut, mit den jeweiligen Gedanken und Emotionen umgehen zu können.
    Polyamorie grenzt sich ganz entschieden ab von der patriarchalen Polygamie, bei der ein Mann mehrere Frauen hat. Auch Swingen ist damit nicht gemeint, weil dabei einzeln oder gemeinsam relativ anonymer Sex ausgeübt wird. Damit diese Liebesform auch tatsächlich zu einer Bereicherung wird, ist sie an bestimmte Bedingungen geknüpft:
Transparenz und Ehrlichkeit: Liebesbeziehungen werden nicht geheim gehalten.
Es besteht Wahlfreiheit für Frauen und Männer gleichermaßen.
Es herrscht Gleichberechtigung der Bedürfnisse.
Es wird offen kommuniziert, um gemeinsam gute Lösungen zu finden.
    In der Polyamorie-Szene haben sich auch Begriffe wie Primär-, Sekundär- und Tertiärbeziehung herausgebildet, wobei es viele weitere Konstellationsmöglichkeiten gibt. Denken wir aber auch daran, dass wir noch immer die althergebrachten Zwischenhirn-Liebesmuster besitzen und wirklich neue Gefühlsprogramme erst speichern müssen, um mit Gefühlen wie Selbstwertkonflikt, Eifersucht, Verlustängsten, Verunsicherung usw. umgehen zu können. Hier braucht es sicher noch sehr viel Übung, Austausch und neue Vorbilder.
    Auch polyamore Menschen treffen eine aktive Entscheidung. Der Nutzen besteht darin, von mehreren Seiten Unterstützung, Liebe und Zuwendung zu erhalten. Es stellt sich jedoch die Frage, inwieweit wirklich alles genau abgesprochen werden kann. Wie will man sich beispielsweise dem heiklen Thema der Verhütung und dem Schutz vor Geschlechtskrankheiten und Aids nähern? Ist es schon schwierig genug, dies alles mit einem Partner abzuklären – wie kompliziert stellt sich das dann erst mit mehreren Partnern dar, die ja auch wieder Partner haben? Bei all den Diskussionen, die hier nötig sind, können leicht neue Anspannung und Stress entstehen.
    Was zunächst ziemlich logisch erscheint, nämlich mehrere Glückstankstellen der Liebe aufzubauen, könnte unter all diesen Umständen eher zur Verunsicherung der Einzelnen führen, wenn die eigene seelische Prägung und die der gemeinsamen Partner unterschiedlich sind.
    Â» Die Liebe ist ein seltsames Spiel« heißt es in einem alten Schlager. Das stimmt insofern, als wir nie wirklich wissen können, inwieweit sexuelle Erfüllung mit einem Menschen und die damit verbundene