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Gluehende Dunkelheit

Gluehende Dunkelheit

Titel: Gluehende Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gail Carriger
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Sonnenuntergang hinab in den Kerker. Nur Lord Maccon war stark genug, um so spät am Abend immer noch außerhalb seiner Zelle zu sein.
    Professor Lyall saß ruhig auf einem kleinen, dreibeinigen Hocker in der Ecke seiner Zelle, mit nichts am Leib als seinem lächerlichen Brilloskop, und las die Abendzeitung. Er bemühte sich angestrengt, die Verwandlung hinauszuzögern. Die meisten des Rudels ließen sich einfach davon mitreißen, aber Lyall widersetzte sich stets solange er konnte, um seine Willenskraft an der Unausweichlichkeit des Mondes zu messen. Durch die schweren Eisenstäbe der Zelle seines Beta konnte Lord Maccon sehen, dass sich Lyalls Rückgrat unmenschlich weit nach vorne krümmte und er beträchtlich mehr Haare zeigte, als für jede gesellschaftliche Gelegenheit akzeptabel war, die über das Lesen der Abendzeitung in der Zurückgezogenheit des eigenen Gefängnisses hinausging.
    Über den Rand seiner Brille hinweg warf der Professor seinem Alpha einen langen Blick aus gelben Augen zu.
    Lord Maccon hielt seine gefesselten Hände steif vor sich und ignorierte den Beta auf sehr betonte Art und Weise. Er vermutete, dass Lyall etwas Beschämendes über Alexia gesagt hätte, wären die Kiefer des Beta nicht für menschliche Sprache bereits zu stark verformt gewesen.
    Der Earl schritt weiter den Gang entlang. Sein Rudel wurde ruhiger, während er an den Zellen vorbeiging. Jeder Wolf entspannte sich instinktiv, als er den Alpha roch und ihn schließlich auch sah. Einige von ihnen senkten in einer Art Verbeugung die Vorderläufe flach auf den Boden, und zwei rollten sich auf den Rücken, um ihren Bauch zu präsentieren. Sogar im Rausch des Vollmondes erkannten sie seine Überlegenheit an. Niemand wollte eine Herausforderung auch nur andeuten. Er würde keinen Ungehorsam dulden, ganz besonders nicht in dieser Nacht, und das wussten sie.
    Der Earl trat in seine eigene Zelle. Sie war die größte, aber auch die sicherste von allen, leer bis auf die Ketten und Bolzen. Kein Schemel oder Nachrichtenblatt, nur Stein und Eisen und Leere. Er seufzte schwer.
    Seine Claviger schlugen das Eisentor hinter ihm zu und verriegelten es dreifach. Dann stellten sie sich davor, allerdings auf der anderen Seite des Ganges, sodass sie außerhalb seiner Reichweite waren. Zumindest diesbezüglich befolgten sie seine Befehle einwandfrei.
    Der Mond stieg über den Horizont. Mehrere Jungwölfe des Rudels begannen zu heulen.
    Lord Maccon spürte, wie seine Knochen vollständig brachen und sich umformten, wie sich seine Haut dehnte und schrumpfte, die Sehnen sich neu anordneten, sein Haar zu Fell wurde. Sein Geruchssinn wurde schärfer. Er witterte einen schwachen Hauch eines bekannten Geruchs, der mit einem Luftzug vom Herrenhaus über ihnen herunterwehte.
    Die wenigen älteren Mitglieder des Rudels, die immer noch zum Teil menschlich waren, vollendeten die letzten Stadien ihrer Verwandlung mit ihm. Die Luft war erfüllt von Knurren und Heulen, während der letzte Rest Tageslicht verblasste. Der Körper wehrte sich stets gegen den Fluch der Verwandlung, was den Schmerz nur noch ärger machte. Wenn das Fleisch nur noch von jenen Fetzen zusammengehalten wurde, die von ihrer Seele übrig geblieben waren, dann verwandelte sich alle Empfindsamkeit in Raserei. Der Lärm, den sie verursachten, war der tobende, todessehnsüchtige Schrei der Verdammten.
    Jeder, der dieses spezielle Heulen hörte, verspürte nichts als Furcht, ob Vampir, Geist, Mensch oder Tier, denn jeder von seinen Fesseln befreite Werwolf würde wahllos töten. In einer Nacht mit vollem Mond, dem Blutmond, war es keine Frage von Wahl oder Notwendigkeit. Es war einfach so.
    Dennoch, als Lord Maccon seine Schnauze hob, um zu heulen, war sein Schrei kein blinder Schrei der Raserei. Die tiefen Töne der Stimme des Alphas waren von unermesslicher Trauer erfüllt. Denn er hatte endlich erkannt, was für ein Geruch es war, der in den Kerker herunterwehte. Zu spät, um etwas in menschlicher Sprache zu sagen. Zu spät, um seine Claviger zu warnen.
    Während die letzten Überreste seiner menschlichen Seite aufschrien, warf sich Connal Maccon, der Earl of Woolsey, gegen die Gitterstäbe seiner Zelle. Nicht um zu töten, nicht um frei zu sein, sondern um zu beschützen.
    Zu spät.
    Denn dieser schwache Hauch trug den Geruch nach süßem Terpentin mit sich, und er wurde stärker.
    Auf dem Schild aus weißem italienischem Marmor über der Tür des Hypocras Club stand PROTEGO RES PUBLICA

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