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Gluehende Dunkelheit

Gluehende Dunkelheit

Titel: Gluehende Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gail Carriger
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Zimmer, und das mit einer solchen Sorgfalt wie ein gewissenhaftes Blumenmädchen, das Blütenblätter vor einer heranschreitenden Braut ausstreut.
    Unsichtbare Dämpfe stiegen von den Tröpfchen empor, und ein eigenartiger Geruch durchdrang die Luft. Alexia kannte diesen Geruch inzwischen gut. Er war wie süßliches Terpentin.
    Miss Tarabotti hielt den Atem an, kniff sich mit einer Hand die Nase zu und brachte mit der anderen den Sonnenschirm in Verteidigungsstellung. Sie hörte hinter sich den dumpfen Laut, mit dem Lord Akeldama auf dem Fußboden aufschlug. Seine goldene Röhrenwaffe rollte unbenutzt davon. Offensichtlich beinhaltete all die Fülle von Informationen, über die er verfügte, nicht die neuesten medizinischen Artikel über die Anwendung, den Gebrauch und den Geruch von Chloroform. Entweder das, oder das Mittel wirkte auf Vampire schneller als auf Außernatürliche.
    Alexia wurde schwindelig. Sie war sich nicht sicher, wie lange sie den Atem noch würde anhalten können, und versuchte zur Tür des Salons und an frische Luft zu gelangen.
    Der Wachsmann, dem die Dämpfe nichts anzuhaben schienen, stellte sich ihr in den Weg und verhinderte so ihre Flucht. Miss Tarabotti erinnerte sich noch von der Nacht zuvor daran, wie schnell er sich bewegen konnte. Übernatürlich schnell? Wahrscheinlich nicht, weil das Chloroform keine Wirkung zeigte. Aber sicherlich schneller als sie. Innerlich verfluchte sich Miss Tarabotti selbst dafür, ihre Unterhaltung mit Lord Akeldama nicht schneller auf diesen Mann gebracht zu haben. Aber jetzt war es … nun ja, zu spät.
    Sie schwang ihren mörderischen Sonnenschirm. Der Messingschaft und die silberne Spitze trafen den Schädel des Mannes mit befriedigender Wucht, dennoch schienen weder das eine noch das andere irgendeine Wirkung zu erzielen.
    Sie schlug ihn erneut, diesmal knapp unterhalb der Schulter. Mit einer schnellen Armbewegung wischte er den Sonnenschirm beiseite.
    Alexia blieb nichts anderes übrig, als vor Erstaunen heftig aufzukeuchen. Sie hatte sehr fest zugeschlagen, hatte aber kein Geräusch brechender Knochen vernommen, als die bleibeschwerte Schirmspitze den Arm traf.
    Der wachsgesichtige Mann zeigte sein schreckliches Grinsen. Zu spät erkannte Miss Tarabotti, dass sie in ihrer Überraschung eingeatmet hatte, und schalt sich eine Närrin. Doch Selbstvorwürfe nützten niemandem etwas. Der süße chemische Geruch des Chloroforms war ihr in den Mund gedrungen, füllte Nase und Rachen und dann die Lunge. Verteufelt noch mal , dachte Alexia, sich einen von Lord Maccons bevorzugten Flüchen ausborgend.
    Noch ein letztes Mal schlug sie auf den Mann mit dem Wachsgesicht ein, hauptsächlich aus wütendem Trotz. Sie wusste, dass es nichts bringen würde. Ihre Lippen fingen an zu kribbeln, und alles begann, sich um sie zu drehen. Sie schwankte gefährlich und streckte, die letzte Hoffnung auf ihre außernatürliche Fähigkeit setzend, ihre sonnenschirmfreie Hand aus, um den Wachsmann zu berühren. Sie berührte seine erschreckend glatte Stirn, direkt unter dem V von VIXI. Seine Haut fühlte sich kalt und hart an.
    Bei der Berührung geschah rein gar nichts mit ihm. Keine Verwandlung zurück in normale menschliche Gestalt, keine Rückkehr zum Leben, kein Seelensaugen. Definitiv nicht übernatürlich. Dieser Kerl, erkannte Miss Tarabotti, war das wahre Monster.
    »Aber«, flüsterte Alexia, »ich bin doch die Seelenlose …« Und mit diesen Worten entglitt ihr der Sonnenschirm, und sie fiel in die Dunkelheit.
    Lord Maccon kam gerade noch rechtzeitig zu Hause an. Seine Kutsche ratterte die lange kopfsteingepflasterte Auffahrt von Woolsey Castle entlang, gerade als die Sonne hinter den hohen Bäumen an der westlichen Grenze des ausgedehnten Grundstücks versank.
    Woolsey Castle lag weit genug von der Stadt entfernt, dass das Rudel frei laufen konnte, und nahe genug, dass sie die Vorzüge all der Vergnügungen genießen konnten, die London zu bieten hatte. Auch war Woolsey Castle nicht die uneinnehmbare Festung, die der Name vermuten ließ, sondern eine Art falsches Herrenhaus mit einer Vielzahl von Stockwerken und übermäßig lebhaften Strebepfeilern. Der wichtigste Vorzug, soweit es die Werwölfe betraf, war ein sehr großer und sicherer Kerker, der darauf ausgelegt war, viele Gäste zu beherbergen. Der ursprüngliche Besitzer und Architekt hatte in dem Ruf gestanden, neben seiner Vorliebe für Strebewerk eher anstößige Neigungen zu haben. Was auch immer der Grund

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