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Gluehende Dunkelheit

Gluehende Dunkelheit

Titel: Gluehende Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gail Carriger
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Ohr hin. Am anderen Ende der Tafel erzählte Miss Wibbley gerade etwas über ihre Cousine dritten Grades, die sich plötzlich dem Gartenbau verschrieben hatte. Offensichtlich stand ihre Familie dieser Entwicklung misstrauisch gegenüber. Lord Maccon, der ein- oder zweimal den Tisch entlang zu Alexia und ihrem Wissenschaftler herübergeblickt hatte, sah nun mit einem Ausdruck nachsichtiger Zuneigung auf das geistlose Mädchen herab und saß viel zu dicht neben ihr.
    »Das besondere Augenmerk meiner Studien«, fuhr Mr MacDougall verzweifelt fort, »liegt auf dem Wiegen und Messen der menschlichen Seele.«
    Unglücklich starrte Miss Tarabotti in ihre Bouillabaisse. Sie war so schmackhaft, wie sie nur sein konnte. Die Blingchesters hatten einen ausgezeichneten französischen Koch. »Wie stellt man es denn an, Seelen zu messen?«, fragte Alexia nicht wirklich interessiert.
    Der Wissenschaftler sah aus, als stecke er in einer Zwickmühle; offensichtlich eignete sich dieser Aspekt seiner Arbeit nicht für eine gesittete Unterhaltung beim Abendessen.
    Miss Tarabottis Interesse wuchs. Sie legte den Löffel zur Seite – dass sie ihre Suppe nicht aufaß, war ein Zeichen dafür, wie aufgewühlt ihre Gefühle waren – und sah Mr MacDougall fragend an. Er war ein leicht rundlicher junger Mann, den eine verbogene Brille und ein Haaransatz zierten, der so aussah, als erwarte er sein unmittelbar bevorstehendes Dahinscheiden. Die unvermittelte Wucht ihrer Aufmerksamkeit schien ihn aus der Fassung zu bringen.
    Er fing an zu stammeln. »Bin noch nicht ganz dazu gekommen, mich um die Einzelheiten zu kümmern, so könnte man sagen. Aber ich habe Pläne entworfen.«
    Der Fisch wurde serviert. Panierter Hecht in Rosmarin-Pfeffer-Kruste ersparte es Mr Dougall, näher darauf eingehen zu müssen.
    Miss Tarabotti nahm einen kleinen Bissen und beobachtete, wie Miss Wibbley Lord Maccon mit den Wimpern klimpernd schöne Augen machte. Alexia kannte dieses Manöver; Ivy hatte es ihr beigebracht. Das machte sie wütend. Mürrisch schob sie den Fisch von sich.
    »Also, wie gehen Sie an eine solche Studie heran?«, fragte sie.
    »Ich hatte daran gedacht, eine große Fairbanks-Waage zu verwenden, angepasst mit Waagschalen, die eine mannsgroße Pritsche aufnehmen können«, erklärte Mr MacDougall.
    »Und was wollen Sie damit tun? Jemanden wiegen, ihn umbringen und dann noch einmal wiegen?«
    »Bitte, Miss Tarabotti! Sie wollen doch nicht geschmacklos werden! Die Details habe ich noch nicht ausgearbeitet.« Mr MacDougall sah aus, als wäre ihm ein wenig übel.
    Alexia, die Mitleid mit dem armen Kerl hatte, lenkte die Unterhaltung auf theoretische Gefilde. »Warum dieses besondere Interesse?«
    »Die Zustände der Seele sind materiegebunden. Dieserhalben kommt dem Naturforscher die Betrachtung der Seele zu«, zitierte er.
    Miss Tarabotti war nicht beeindruckt. »Aristoteles«, sagte sie.
    Der Wissenschaftler war erfreut. »Sie lesen Griechisch?«
    »Ich lese Übersetzungen aus dem Griechischen«, entgegnete Alexia knapp.
    »Nun, wenn wir herausfinden könnten, aus welcher Substanz die Seele besteht, könnten wir sie messen. Dann wüssten wir vor dem Todesbiss, ob eine Person übernatürlich werden kann oder nicht. Stellen Sie sich vor, wie viele Leben dadurch gerettet werden könnten.«
    Alexia fragte sich, was sie wohl auf einer solchen Waage wiegen würde. Nichts? Vermutlich. Das wäre mal eine ganz neuartige Erfahrung. »Sind Sie deshalb nach England gekommen? Wegen unserer Integration von Vampiren und Werwölfen in die allgemeine Gesellschaft?«
    Der Wissenschaftler schüttelte den Kopf. »Heutzutage sind auch die Verhältnisse auf der anderen Seite des Teichs nicht mehr so schlimm. Aber nein, ich bin hier, um eine wissenschaftliche Arbeit vorzustellen. Die Royal Society hat mich eingeladen, die Eröffnung ihres neuen Gentlemen’s Club Hypocras einzuweihen. Schon davon gehört?«
    Das hatte Miss Tarabotti, doch sie konnte sich weder erinnern, wann das gewesen war, noch an irgendetwas Weiteres. Also nickte sie nur.
    Der Fisch wurde abgeräumt und das Hauptgericht serviert: gebratene Hochrippe vom Rind mit Bratensoße und Wurzelgemüse.
    Am anderen Ende der Tafel gab Lord Maccons Tischdame ein perlendes Lachen von sich.
    Recht unvermittelt fragte Miss Tarabotti ihren Gesprächspartner: »Miss Wibbley ist sehr attraktiv, würden Sie nicht auch sagen?« Sie stieß ihre aufrecht auf dem Teller angerichtete Rippe um und säbelte heftig an dem Fleisch

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