Glühende Lust
verhindern?«
»Glaub mir, ich habe all meine Überredungskünste aufgebraucht. Ich habe bei den Göttern von Memphis geschworen, dass ich alles tun werde, das Land gefügig zu halten. Aber weshalb sollten sie auf ein Pfand verzichten? Nefertem wird das nicht überstehen.«
Ihr Körper erbebte wie unter einem Hieb, als sie sich auszumalen versuchte, wie es dem Bruder in dem fremden Land ergehen mochte. Selbst wenn man ihn anständig behandelte, würde er es nicht ertragen, fern und der Familie entrissen zu sein. Gefangener in einem barbarischen Land! Sie weinte heiße Tränen in das Gewand des Vaters.
»Und du«, er strich über ihre zitternden Schultern. »Du musst nach Theben. Sag Schanherib, es ist mein Wunsch, dass er dich dorthin bringt.«
»Ich sage ihm, dass er Nefertem befreien soll.«
»Rede keinen Unfug! Das ist unmöglich.«
»Für ihn ist vieles möglich.«
Mentuhotep schnaufte. »Gelänge ihm dies, würde ich dich ihm zur Belohnung geben. Du musst hinaus jetzt, schnell, die Sänfte hebt sich.«
Rasch drückte sie ihm einen Kuss auf die Wange und empfing einen goldenen Armreif, den er von seinem Handgelenk gestreift hatte. Dann ließ sie sich aus der Sänfte gleiten. Vier, fünf Frauen schirmten sie von den Blicken der immer noch beschäftigten Männer ab. Die nackte Hure war vom Pferd geglitten und tanzte mit erhobenen Händen; die streitenden Ägypter zerrten Karren und Esel beiseite und gebärdeten sich, als hinge ihre Existenz vom Verlust des Mehlsacks ab. Aus der Sänfte flog goldener Schmuck, der alle noch einmal ablenkte. Merit hastete zurück zwischen die Häuser und warf sich in Schanheribs Arme. Sichtlich erleichtert zog er sie mit sich weiter in die Tiefe der Schatten, riss ihre Perücke herunter und ließ seine Lippen über ihr tränenfeuchtes Gesicht wandern.
»Schanherib, was hat mein Vater gemeint, als er sagte, Nefertem sei der Königin Leibsklave?«
Er verzog die Lippen. »Sie treibt’s mit ihm, und Asarhaddon sieht zu, in der Hoffnung, dass es seinem Schwanz auf die Sprünge hilft. Zugegeben, Letzteres ist nur eine Vermutung meinerseits.«
»Wie schrecklich! Wie können sie nur …«
»Jetzt denk nicht darüber nach. Ich hab’s kaum ertragen, dich dort zu sehen, in Griffweite der Soldaten«,keuchte er zwischen zwei Küssen. Es ging ja gut aus, wollte sie beschwichtigen, aber er ließ ihr kaum Zeit, zu Atem zu kommen. Hungrig bestürmte er sie. Und sie wollte ihn nicht weniger ungestüm. Du liebst ihn, ja? O ihr Götter, dachte sie. Keine Frau konnte zu innigerer Liebe imstande sein. Sie drängte sich ihm entgegen, von plötzlicher Lust überrollt, als er an ihrem fadenscheinigen Kleid zerrte, Nanachts viel zu großer Leihgabe, ihre Hüften entblößte und mit einem wilden Stoß in sie eindrang. Sie schlang die Arme um seine Schultern, hob die Schenkel. Ihre Sohlen drückten gegen die gegenüberliegende Hauswand. Fast verzweifelt wirkte er, als er seine assyrische Wildheit in sie pumpte und sich mit einem nur mühsam unterdrückten Aufschrei in ihr ergoss. Taumelnd wankte er mit ihr zu Boden, wo er sie hielt und fortfuhr, ihr Gesicht zu liebkosen.
»Warum ist alles so schwierig?«, rief er in ihr Haar. Er schien die Götter, das Schicksal zu befragen, nicht sie. Beruhigend wollte sie ihm das Haar aus dem Gesicht streichen, aber ihre Finger zitterten. Gewöhnlich war er der Starke, an dem sie sich aufrichtete – wie hart musste es ihn angekommen sein, stillzuhalten und zuzusehen, wie sie durch die Gefahr lief? In diesem Augenblick war ihr, als sei sie erwachsen geworden. Die behütete Wesirtochter gab es nicht mehr; hier kniete eine Frau, deren letzte Tage an Aufregung, an Furcht und Leidenschaft ein ganzes Leben aufwogen. Sie fühlte sich ihm ebenbürtig.
»Das ist es nicht«, flüsterte sie, und ihr schien, als könnten die Geräusche der Gasse nicht zu ihr dringen und die Worte von ihren Lippen rauben. »Wir lieben uns. Was könnte daran schwierig sein?«
14 . K APITEL
Säcke mit Getreide, Mehl, Linsen und Zwiebeln stapelten sich vor der Wand neben der Herdstelle. Auf dem Tisch stand ein bis zum Rand gefüllter Honigtopf. Ein Häuflein von Kupferringen, die auf Schnüre aufgereiht waren. All dies hatten Schanheribs Männer gegen den Goldreif Mentuhoteps eingetauscht. »Das gehört nicht dir«, erklärte Schanherib der Wirtin, die die Kostbarkeiten befingerte. »Es dient dazu, unseren Proviant und andere Dinge zu besorgen, die wir benötigen. Aber dein Anteil wird
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