Glut der Gefuehle - Roman
unrasiertes Kinn. »Verzeihen Sie mir, Miss Parr... aber ich muss wissen, ob sie die Männer kennen, die auf den Bildern dargestellt sind. Ist es so?«
Aus den Augenwinkeln beobachtete sie, wie sich Southertons Finger fester um das Whisky-Glas schlossen. Sie dachte, er würde gegen die Frage protestieren. Doch er schwieg. »Nein, Euer Gnaden, Margrave hat solche Modelle nie erwähnt.«
»Wie viele Bilder gibt es?«
»Das kann ich nur in etwa abschätzen. Ungefähr vierzig.« India hörte, wie South nach Luft schnappte. »Würden Sie mir gestatten, die Gemälde zu vernichten, Euer Gnaden? Ich will sie verbrennen.«
»Nein, das ist unmöglich.«
Diese Antwort hatte sie erwartet. Mühsam bekämpfte
sie den ungeheuren Druck, der auf ihrer Brust lastete. Dann wandte sie sich Hilfe suchend zu South.
Schweren Herzens gestand er ihr, er könne nichts für sie tun. »West hat mir versprochen, er würde die Bilder niemandem zeigen. Sobald er seinen Auftrag erledigt hat, wird er sie dir übergeben.«
»Ich hatte gehofft, sie seien in Sicherheit«, sagte sie tonlos. »Und jetzt besitzt Seine Gnaden diese beiden. Das hatte ich schon befürchtet – Margrave geht damit an die Öffentlichkeit.«
»Nein, Miss Parr«, entgegnete West. »Offenbar haben Sie nur einen Teil meiner Unterhaltung mit South gehört. Die zwei Gemälde fand ich in einer Privatsammlung und entwendete sie, weil ich Sie darauf erkannte. Ich hatte Sie mehrmals im Theater gesehen. Aber es gibt in jenem Haus noch andere Bilder, die Sie nicht darstellen.«
Mit bebenden Fingern hob India das Brandy-Glas an die Lippen und nahm einen Schluck. »Sind das ebenfalls Margraves Werke?«
»Ich glaube nicht. Soweit ich es beurteilen kann, entsprechen sie nicht seinem Stil.«
Nun bereute sie bitter, dass sie in den Flur geschlichen war, nachdem South sein Schlafzimmer verlassen hatte. Wäre sie bloß in seinem Bett geblieben...
Abrupt hob sie den Kopf. Ihre Nasenflügel zitterten, und sie stand auf. »Was ist das...?« Ihre kraftlosen Finger vermochten das Glas nicht mehr festzuhalten, es fiel zu Boden, und der Brandy ergoss sich auf den Saum ihres Kleides.
Auch South hatte die Gefahr erkannt. Er sprang auf und lief in die Diele, dicht gefolgt von West.
»Hol deine Pelisse, India!«, befahl er. »Und warte drau ßen auf uns!«
Sie wollte widersprechen, ihre Hilfe anbieten. Aber die beiden Männer stürmten bereits die Treppe hinauf, immer zwei Stufen auf einmal nehmend.
Da sie keine Wahl hatte, eilte India in die Küche und legte ihre Pelisse um die Schultern.
Als sie durch die Hintertür in die kalte Nachtluft trat, lächelte sie bitter. Welch eine Ironie, dass Margraves Gemälde vielleicht doch noch in Flammen aufgingen...
Vierzehntes Kapitel
Eine Falle...
Das erkannte South erst, als er sich zusammen mit West darin gefangen fühlte. Flammen krochen an den Vorhängen hinauf, züngelten an der Zimmerdecke und versengten die Bettpfosten.
Hastig zog West sein Jackett aus und schlug damit auf das Feuer ein. Diesem Beispiel folgte South mit einer Decke, die noch nicht brannte. Eine Zeit lang schienen diese Bemühungen die lodernde Glut eher anzufachen statt einzudämmen. Höher und höher schlugen die Flammen empor. Unter dem Schrank quoll Rauch hervor. Immer wieder fegte ein Windstoß durch das offene Fenster herein und schürte den Brand.
Bald wurden die Männer von der Hitze und den schwarzen Wolken zur Tür zurückgetrieben. Sie holten Decken aus dem angrenzenden Schlafzimmer, und West lief aus dem Haus, um Eimer voller Schnee hineinzuschleppen. Schließlich löschten sie das Feuer.
West stand auf der Türschwelle und schätzte den Schaden ab. Zum Glück waren die Möbel nur angesengt, die Vorhänge und das Bettzeug ein geringfügiger Verlust. Die Matratze qualmte noch. Am Kaminsims und zwischen den Ritzen der Bodenbretter kräuselte sich Rauch.
»Bist du verletzt?« West warf seinem Freund einen kurzen Seitenblick zu.
»Nein. Und du?«
Der Duke schüttelte den Kopf und trat die schwelende Asche vor seinen Füßen aus. »Was hältst du davon?«
Als ich das Schlafzimmer verlassen hatte, war das Fenster geschlossen gewesen, überlegte South. Warum sollte India es geöffnet haben? Das konnte er sich nicht vorstellen. Er ging über den verrußten Boden und tastete das Sims ab. Dann betrachtete er seine geschwärzten Finger und bemerkte die ölige Substanz. »India«, sagte er leise. »Er will India in seine Gewalt bringen!«
»Was meinst du?«
South
Weitere Kostenlose Bücher