Glut der Versuchung
majestätische Haus zu dem, was Drew als den »kleinen« Salon bezeichnete, gebracht wurden.
Die Inneneinrichtung war noch imposanter als Roslyn es dem Äußeren nach erwartet hätte. Jedes Zimmer, an dem sie vorbeikam, strotzte vor vergoldetem und brokatbespanntem Mobiliar, Kronleuchtern aus Gold und Kristall, sowie unzähligen Gemälden, Wandteppichen und Skulpturen.
Alles war ziemlich einschüchternd, fand Roslyn noch bevor sie den bombastischen Raum betrat, in dem eine große, majestätische Frau mit silbernem Haar saß.
Die Duchess erhob sich langsam. Ihre Haltung war so gebieterisch wie Roslyn schon gehört hatte - und ebenso furchteinflößend. Ihre blassgrauen Augen waren eisig, und ebenso frostig begrüßte sie ihren Sohn mit einem knappen »Arden.«
»Mutter«, erwiderte Drew nicht minder kühl. Die Spannung zwischen den beiden war deutlich spürbar, als er sich knapp verbeugte und Roslyn bekanntmachte.
Elegant und streng zugleich musterte die Duchess Roslyn durch ihre Lorgnette.
»Guten Tag, Miss Loring«, bemerkte die Adlige hochmütig. »Wie ich höre, haben Sie meinen Sohn verführt. «
Roslyn konnte nicht umhin, diese besondere Wortwahl amüsant zu finden, was sie sich natürlich nicht anmerken ließ, als sie ruhig entgegnete: »Ich glaube kaum, dass >verführt< der angemessene Ausdruck ist, Durchlaucht.«
»Und wie würden Sie es nennen?«
Roslyn bezweifelte, jemals das Wohlwollen der Duchess zu gewinnen, selbst wenn sie sich ihr zu Füßen warf. Also lächelte sie kokett zu Drew und sagte: »Ich würde von einer unerwarteten beiderseitigen Anziehung sprechen, Durchlaucht.«
Als Drew ihr Lächeln erwiderte, versteifte die Duchess sich sofort. »Sie können kaum von mir erwarten, die Verlobung gutzuheißen, Miss Loring, infam wie Ihre Eltern sich verhielten. Ihre Familie ist von Skandalen überschattet.«
»Das traf bis vor kurzem zu«, sagte Roslyn höflich. »Aber meine ältere Schwester hat sehr respektabel geheiratet.«
»Ja, ich weiß. Sind Sie kultiviert, Miss Loring?«
»Ziemlich. Ich singe und spiele das Pianoforte, beherrsche Nadelarbeiten und Aquarellmalerei. Ich spreche fließend Französisch und weniger fließend Italienisch. Ach ja, und ich lese und spreche Latein.«
»Latein?«, fragte die Duchess verächtlich. »Dann haben Sie wenigstens eines mit Arden gemein. «
»Ja, wir interessieren uns für dieselben Bücher, was ich als eine gute Voraussetzung für eheliches Glück erachte. Sie stimmen mir gewiss zu, Durchlaucht.«
Die Duchess kniff die Lippen zusammen, doch Roslyn hielt ihrem eisigen Blick stand.
Nach einer Weile schlug die Duchess eine andere Richtung ein. »Wie mir zu Ohren kam, unterrichten Sie an einer Akademie für junge Damen. Das werden Sie umgehend einstellen. «
»Ich muss Sie leider enttäuschen, Durchlaucht. Meine ältere Schwester plant, weiterhin an unserer Akademie zu lehren, obgleich sie nun eine Countess ist, und ich beabsichtige, es ebenso zu halten, wenn ich eine Duchess bin.«
Nun wurde die Duchess of Arden wütend. »Haben Sie auch nur die geringste Vorstellung, Miss Loring, welche Pflichten auf Sie zukommen, wenn Sie in diese Familie einheiraten? Sie sind verpflichtet, unseren Ruf aufrechtzuerhalten! «
»Ja, das ist mir bewusst«, sagte Roslyn betont gelassen. »Und nachdem ich mit Ihnen bekanntgemacht wurde, Durchlaucht, habe ich eine recht genaue Vorstellung davon, was mich erwartet. Aber ich werde es Ihrem Sohn überlassen, mein Verhalten zu beurteilen.«
Frostig wandte die Duchess plötzlich den Blick von Roslyn ab und ihrem Sohn zu. »Eure Gemächer sind vorbereitet, Arden. Ihr dürft mir um halb acht im großen Salon bei einem Glas Sherry Gesellschaft leisten. Wie du weißt, halte ich dieselben Zeiten ein wie in der Stadt und speise um acht.«
»Ja, das weiß ich, Mutter«, sagte Drew ruhig.
»Ich möchte, dass du ein Wort mit Mathers redest. In dieser Woche war sie noch anmaßender als sonst, und sie weiß, dass ich sie nicht maßregeln kann.«
»Selbstverständlich, ich spreche mit ihr. Ich wollte sie ohnehin in Bälde besuchen.«
Wieder verneigte er sich kurz und führte dann Roslyn hinaus. Als sie den langen Korridor entlanggingen, seufzte Roslyn erleichtert.
Drew sah sie amüsiert an. »Das hast du recht gut gemacht. Du kannst dich fürwahr vor dem Drachen behaupten.«
Roslyn lächelte. »Sie ist gar nicht so schlimm, wenn man hochmütige, blutleere Menschen mag.«
»Ich mag sie nicht«, sagte er. »Komm, ich zeig dir
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