Glut der Versuchung
satteln.«
Eleanor schien zunächst nicht zu begreifen, doch dann schmunzelte sie schuldbewusst. »Ach, eigentlich wollte ich gar nicht mit dir ausreiten. Ich war heute Morgen schon im Park. Ich bin bloß gekommen, um mich zu vergewissern, dass du bei deiner Liebsten auch alles richtig machst.«
»Du verschlagenes kleines Ding«, sagte Drew lachend. »Es ist ein Wunder, dass Marcus dich nicht sofort gefesselt und geknebelt hat, als du alt genug warst, um lange Röcke zu tragen! «
»Stimmt«, erwiderte sie, stand auf, schritt zur Tür und ließ Drew lachend zurück.
Bald aber wurde er wieder ernst. Wahrscheinlich hatte Eleanor Recht. Um Roslyns Herz zu gewinnen, musste er sie romantisch umwerben.
Roslyn begriff nicht, warum Drew so verändert war, als er sie am nächsten Morgen besuchte. Statt verwegen und wissend, war sein Lächeln warm und freundlich. -Statt zynisch und scharfzüngig, gab er sich in der Unterhaltung richtig umgänglich. Und er berührte nicht einmal ihre Hand.
Zudem fiel sein Besuch außergewöhnlich kurz aus gerade lang genug, um ihr von den Arrangements zu berichten, die er für ihre Reise am kommenden Montag getroffen hatte, wenn sie die Duchess of Arden kennenlernen sollte. Sie würden über Nacht auf Arden Castle bleiben und am nächsten Morgen zurückkehren.
Als Drew vorschlug, dass Roslyn ihre Zofe mitnahm, sah sie ihn fragend an. »Weil deine Mutter es aus Anstandsgründen erwartet? «
»Nein, weil dir dann wohler bei der Kutschfahrt mit mir sein wird. «
Seine Rücksicht erstaunte sie ein wenig, aber sie widersprach ihm nicht, denn sie wäre wirklich erleichtert, ihre Zofe bei sich zu haben und so jede Gefahr zu melden, dass sich in der Kutsche wiederholte, was sie bei der gestrigen Fahrt erlebt hatte.
Ebenso wenig erwähnte sie, wie ungern sie mitfuhr. Insgeheim hielt Roslyn es für überflüssig, seiner Mutter vorgestellt zu werden und sich ihr Einverständnis zu holen, wenn es ohnehin nicht zur Hochzeit kam. Aber ihr war natürlich klar, dass sie den Schein wahren mussten, denn um die Verlobung zu lösen, war es noch viel zu früh.
Zu ihrer Überraschung sah sie Drew bis zur Abreise nicht mehr wieder. Und leider stellte sie fest, dass sie ihn vermisste. Der Gedanke, dass er es aufgegeben hatte, ihr den Hof zu machen, missfiel ihr, was unsinnig war. Sie ermahnte sich streng, dass es besser war, wenn er endlich eingesehen hatte, wie wenig sie zusammenpassten.
In der Zwischenzeit schrieb Drew ihr zweimal. Einmal schickte er ihr den neuesten Band von Cobbetts Geschichte des Parlaments, der eben erst erschienen war. Und das andere Mal lieh er ihr eine äußerst seltene Ausgabe von Francis Bacons Das neue Atlantis in der lateinischen Originalfassung, die Drew ihr ausdrücklich nur auslieh, weil sie ungern teure Geschenke annahm.
Roslyn musste unweigerlich lächeln, als sie das las, und zog sich sofort in die Bibliothek zurück, um sich ganz in das kostbare Buch zu vertiefen.
Sie war idiotisch froh, Drew zu sehen, als endlich Montag war und sie sich zu ihm in die Kutsche setzte - und noch froher, ihre Zofe Nan bei sich zu haben, die ihr half, die Regeln des Anstands einzuhalten.
In Nans Gegenwart beschränkte Drew sich auf unpersönliche Konversation mit Roslyn. Je länger sie jedoch fuhren, umso weniger sprach er, und Roslyn fiel auf, dass er fast nichts mehr sagte, als sie sich dem Anwesen näherten. Vor Nan wollte sie ihn nicht fragen, warum er so schweigsam war.
Das einzige Mal, dass Drew etwas sagte, war bei der Fahrt durch das große Steintor.
»Das Heim meiner Vorfahren«, bemerkte er und blickte aus dem Fenster.
Der Park war gigantisch groß, wie Roslyn feststellte, nachdem sie über zehn Minuten die Einfahrt hinaufgefahren waren. Und sowie Arden Castle zu sehen war, vergaß sie alles andere.
Der prächtige Bau aus goldbraunem Sandstein stand auf einem Hügel in der Ferne. Die Burg war vor zweihundert Jahren erbaut worden und hatte nichts von einer mittelalterlichen Festung. Eher war sie ein königlicher Palast - eindeutig die angemessene Residenz für außergewöhnlich wohlhabende Aristokraten.
Roslyn sah, wie Nan vor Ehrfurcht große Augen machte.
Ein halbes Dutzend livrierter Diener und Burschen kam herbeigeeilt, um sie zu empfangen und sich eiligst um ihre Pferde, das Gepäck und die Bediensteten zu kümmern. Drew führte Roslyn die geschwungene Steintreppe hinauf zur riesigen Eingangstür, wo sie von einem stattlichen Butler begrüßt und dann durch das
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