Glut der Versuchung
Lily hatte ihr Herz mit einer Mauer umgeben, um nie wieder jemanden so nahe an sich heranzulassen, dass er sie verletzen konnte. Lilys wilde, rücksichtslose Art war nur eine Fassade, hinter der sich ein sensibles, verletzliches Wesen verbarg. Deshalb wollte Roslyn ihre jüngere Schwester unbedingt vor Winifreds Eifer schützen, so gut sie es konnte. Ebenso wie sie sich selbst vor dem Duke of Arden schützen würde ...
Wenn man vom Teufel spricht.
Ihr Herz flatterte beängstigend, als sie ihn auf der anderen Saalseite erspähte. In seiner formalen Abendgarderobe - schwarzer Gehrock, Goldbrokatweste, blütenweiße Krawatte und weiße Kniebundhose - gab er eine beeindruckende Figur ab. Zudem betonte diese Kleidung seine schönen Züge aufs Trefflichste.
Willentlich ignorierte Roslyn das Vergnügen, das allein sein Anblick ihr bereitete. Als er jedoch in ihre Richtung sah und ihr direkt in die Augen blickte, sie buchstäblich mit seinem Blick einfing und festhielt, konnte sie nicht umhin, an ihre letzte Begegnung zu denken.
Während sie einander ansahen, spürte sie, wie sie errötete. Er brauchte sie nicht einmal zu berühren, um sie vollkommen zu verzaubern, dachte Roslyn, die plötzlich atemlos war. Das Aufflackern von Erregung in seinen grünen Augen brachte ihren Puls zum Rasen.
Mit größter Anstrengung wandte Roslyn sich von ihm ab und war unendlich dankbar, als sie Lord Haviland auf sich zukommen sah. Entsprechend bat sie ihn ein wenig zu überschwänglich um Entschuldigung für ihr Zuspätkommen.
»Machen Sie sich deshalb keine Gedanken, Miss Loring«, sagte der Earl lächelnd. »Ich hatte allerdings gehofft, dass Sie kämen, damit ich Ihnen danken kann. Ihr Rat bezüglich meines Balls war von unschätzbarem Wert.«
»Es war mir ein Vergnügen, Ihnen zu helfen. «
»Meine Großmutter behauptet, meine Bemühungen machten großen Eindruck auf sie, und sie ist außergewöhnlich schwer zufriedenzustellen. Ich würde Sie gern mit ihr bekanntmachen, wenn Sie gestatten."
Roslyn sah zu der alten Dame hinüber. »Ja, ich würde sie sehr gern kennenlernen«, sagte sie und fühlte, wie ihr bei dieser Ehrbekundung innerlich warm wurde.
Als Lord Haviland sie um den nächsten Tanz bat, sagte sie sofort zu und ließ sich von ihm zur Quadrille auf die Tanzfläche führen. Sie wusste, dass sie jetzt gleich anfangen sollte, mit ihm zu flirten, nur fiel es ihr schwer, solange sie wusste, dass der Duke sie genauestens beobachtete. Das dürfte auch der Grund sein, weshalb Havilands Nähe ihren Puls nicht, wie erwartet, beschleunigte und sie keinen Funkenschlag spürte, wenn sich ihre Hände berührten.
Zum Glück war Haviland nicht wie sie um Worte verlegen. Wann immer die Tanzschritte es erlaubten, unterhielt er sich mit ihr.
»Ich muss mir eine angemessene Belohnung für Ihre Hilfe ausdenken, Miss Loring. Würden Sie mich morgen früh zu einer Ausfahrt begleiten? «
Roslyn war entzückt von der Einladung. »Sind Sie sicher, dass Sie Ihre Gäste alleinlassen wollen? Ich dachte, Ihre Großmutter und andere Verwandte blieben noch für eine Woche? «
»Tun sie auch, aber ich werde ihnen mit Freuden für einige Zeit entkommen. Meine Großmutter ist eine der wenigen Verwandten, an deren guter Meinung mir liegt, und sie wird nach dem anstrengenden Abend gewiss nicht vor Mittag aufstehen. Ihre Gesundheit ist nicht mehr die beste.«
»Tut mir leid, das zu hören«, sagte Roslyn höflich.
Haviland schmunzelte. »Nun, sie ist keineswegs dem Tode nahe, wie sie mich gern glauben lässt. Ich denke, sie übertreibt, was ihre Gebrechen betrifft, damit ich nach ihrer Pfeife tanze. Und sie drängt mich, mir eine Braut zu suchen und sesshaft zu werden, ehe sie vor ihren Schöpfer tritt. «
Roslyns Herz setzte kurz aus. Wollte er ihr etwas andeuten, indem er das erzählte? »Oh? Und wollen Sie ihrem Wunsch entsprechen? «
Nun schenkte er ihr ein sehr einnehmendes Lächeln. »Es ist ein fortwährender Kampf, aber ich vermute, sie wird ihn am Ende gewinnen. «
Nachdem Lord Haviland noch eine Weile länger gesprochen hatte, fiel es Roslyn allmählich leichter, sich auf ein harmloses Geplänkel mit ihm einzulassen, wie sie es in geübt hatte. Und bald schon entdeckte sie, dass Haviland in der Kunst des Flirtens durchaus begabt war.
Als sie ihn scherzhaft fragte, ob seine Großmutter der von ihm erwählten Braut zustimmen müsste, antwortete er mit einem energischen Nein. »Selbst wenn ich ihr gern eine Freude mache, ist dies doch
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