Glut unter der Haut
du so …«
Edna verstummte angesichts von Kathleens ungewohntem bitteren Lächeln.
»Das Problem ist nicht, dass wir uns nicht mögen«, gab sie zu.
Ednas Miene hellte sich auf. »Ah, dann habe ich also doch richtig gerochen.«
Kathleen senkte verlegen den Blick. »Na ja … ja. Es ist nur …«, murmelte sie. »Er ist so … Er hat viel mehr Erfahrung als ich und …«
»Ich glaube, ich verstehe«, sagte Edna betrübt. »Komm, gehen wir ein Stück spazieren. Ich habe Mike gebeten, deine Gruppe zu übernehmen.«
Woher hatte Edna gewusst, dass sie sich heute Morgen nicht so gut fühlte? Gerührt legte Kathleen der älteren Frau einen A rm um die T aille. Sie schlenderten an einem Nebenarm des Flusses entlang, kaum mehr als ein Bach, der hinter dem Bungalow der Harrisons floss. In stillem Einverständnis setzten sie sich auf die von Klee überwucherte W iese. Hier war es schattig und friedlich.
Die Kinder waren zu den ersten Unternehmungen des T ages aufgebrochen. In der Ferne war B. J.s Rasenmäher zu hören. Die V ögel zwitscherten aufgeregt und flatterten durch das dichte Laub der Bäume. Ein Eichhörnchen verteidigte lautstark sein Revier gegen ein Rotkehlchen. Der kleine Fluss plätscherte über sein steiniges Bett, gleichgültig gegenüber Kummer, Unentschlossenheit oder Schmerz.
»Bist du denn in ihn verliebt?«, fragte Edna zaghaft.
Kathleen schüttelte den Kopf; ihr Pferdeschwanz wippte heftig. »Ich weiß es nicht. Ich weiß es wirklich nicht. Ich kenne ihn doch erst so kurz.«
Edna lachte gutherzig. »Mein Kleines, Zeit spielt dabei keine Rolle. Manche Menschen kennen sich ein Leben lang und lieben sich ebenso lang. A ndere begegnen einander, und es ist Liebe auf den ersten Blick. Die Liebe hält sich an keinen Zeitplan. Und sie macht auch keine Unterschiede zwischen den Menschen. Sie kann uns alle treffen, weißt du … oder hast du A ngst vor der Liebe, Kathleen? Ich meine nicht körperlich«, fügte sie hinzu. »Was ich meine, ist: Hast du A ngst, du könntest Erik verlieren, wenn du ihn liebst? So wie du deine geliebten Eltern verloren hast?«
Liebe? Kathleen war erst in den letzten Stunden klargeworden, dass ihr Erik mehr bedeuten könnte. Sie war unsicher, ob der Begriff »Liebe« auf die Gefühle zutraf, die er in ihr weckte. Dennoch waren diese Gefühle zu stark, um sie auf die leichte Schulter zu nehmen oder gar zu ignorieren.
Und es gab noch ein Problem. Erik war an ihr interessiert. Das wusste sie. Es war nicht zu leugnen, wie sehr sie sich zueinander hingezogen fühlten. A ber was würde sein, wenn sie mit ihm ins Bett ginge? Er würde danach fortgehen, irgendwohin; ein neuer A uftrag, eine neue Frau, eine neue T rophäe in seiner Sammlung. Und was würde mit ihr geschehen? Sie würde zurückbleiben mit dem Gefühl des V erlustes von dem Mann und ihrer Selbstachtung.
Die meisten modernen Frauen würden wahrscheinlich über ihren Moralkodex lachen. A ber das war ihr egal. Sie hatte ihre eigenen Regeln. A ber war das wirklich der einzige Grund, weshalb sie ihn abgewiesen hatte?
Vielleicht hatte Edna recht. Sie hatte A ngst. W as für sie einen ungeheuren Schritt darstellte, war für Erik nicht mehr als eine Episode. Ja, davor hatte sie A ngst. Doch sie war noch nicht bereit, es zuzugeben.
»Er ist so arrogant und so egoistisch«, sagte sie barsch.
»Stimmt«, pflichtete ihr Edna bei. »Und B. J. ist ein Zauderer. Manchmal kann er furchtbar faul sein. Zudem schnarcht er. A ber ohne ihn wäre ich nur ein halber Mensch, auch wenn ich ihm manchmal am liebsten den Hals umdrehen möchte.« Dann wurde sie wieder ernst und ergriff Kathleens Hände. »Du hast deine Eltern geliebt, und anfangs hattest du sicher das Gefühl, dass sie dich in einer schwierigen Phase deines Lebens im Stich gelassen haben. Doch du hast dich durchgebissen und bist zu einer wunderschönen jungen Frau herangewachsen. A ber du wirst verblühen, wenn du diese Schönheit mit niemandem teilst, Kathleen. Hab keine A ngst vor der Liebe.«
In Kathleens A ugenwinkeln sammelten sich T ränen. Sie legte die Hand auf Ednas Schulter. »Aber ich liebe dich. «
Edna tätschelte ihr die Hand. »Das weiß ich doch, aber darum geht es jetzt nicht.« Sie erhob sich, erstaunlich schwungvoll für eine Frau ihres A lters. »Vielleicht fühlst du dich besser, wenn du weißt, dass du nicht die Einzige bist, die heute Morgen mit dem falschen Bein aufgestanden ist. Erik hat offensichtlich auch nicht sonderlich gut geschlafen. Er war so
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