Glut unter der Haut
Menschen würden ihr Bedauern kundtun oder etwas Ähnliches. Über die Jahre hinweg habe ich die Reaktionen der Menschen auf meine Behinderung hin katalogisiert. Entweder drücken sie mir ihr Beileid aus, oder es ist ihnen so peinlich, dass sie mir nicht in die A ugen sehen können, oder sie ignorieren es völlig, als würde es schon weggehen, wenn sie nur nicht hinschauen. Sie haben nichts dergleichen getan. Ich glaube, ich mag Sie, Miss Haley.«
Sie schmunzelte. »Ich Sie auch.«
Er lachte gutmütig. »Möchten Sie eine T asse Kaffee?« Ohne ihre A ntwort abzuwarten, betätigte er den Summer auf seiner Schreibtischplatte, und innerhalb weniger Sekunden kam die Sekretärin herein.
»Miss Haley, darf ich Sie mit Mrs. Larchmont bekannt machen? Sie besteht darauf, dass ich sie so anrede, trotz unserer Freundschaft.«
»Aber nur, weil ich nicht möchte, dass jemand annimmt, uns beide würde eine heiße Liebesaffäre verbinden«, konterte Mrs. Larchmont, eine Frau A nfang fünfzig und die Personifizierung der kompetenten, attraktiven A ssistentin, wie sie sich jeder leitende A ngestellte wünschte.
Es war offensichtlich, dass die beiden sich mochten und sich aufeinander verlassen konnten. Sie wandte sich an Kathleen. »Sie dürfen Claire zu mir sagen.«
»Miss Haley, möchten Sie eine T asse Kaffee?«, fragte Seth sie erneut.
»Gern. Mit Milch, bitte«, sagte sie an Claire gerichtet.
»Und ich …«, hob Seth an.
»Ich weiß, was Sie möchten, Mr. Kirchoff«, sagte Claire und ging hinaus.
»Sie ist einmalig, nicht wahr?«, fragte Seth Kathleen.
»Sie beide scheinen gut miteinander auszukommen.«
»Ja, das tun wir.« Er faltete die Hände auf dem Schreibtisch. »Und nun möchte ich Ihnen erklären, wonach ich suche.«
Er gab ihr einen kurzen A briss der Geschichte des Kaufhauses, das von seinem Großvater im Jahre 1920 eröffnet worden war. Über die Jahre hinweg, während der Depression und des Zweiten W eltkriegs, hatte Kirchoff es geschafft zu überleben. Nach dem Krieg hatte Seths V ater die Leitung übernommen und das Geschäft und die Profite ausgeweitet. Er war vor drei Jahren gestorben.
»Man möchte annehmen, dass das Geschäft nun auf mich übergegangen wäre, aber das T estament meines V aters sprach meinem Onkel die Geschäftsleitung zu. Sehen Sie, mein V ater hat angenommen, dass nicht nur mein Rückgrat bei dem Unfall in Mitleidenschaft gezogen wurde, sondern auch mein V erstand. Er hat es mir nie ganz verziehen, dass ich ein Krüppel bin.«
Es schwang keinerlei V erbitterung in seinem T on mit, lediglich eine tiefe T raurigkeit. »Wie dem auch sei, mein Onkel verstarb letztes Jahr ganz plötzlich, und so bin ich in dieses Büro gezwungenermaßen eingezogen.«
Er hielt in seiner Schilderung inne und nahm Claire das Silbertablett mit Porzellantassen und einer Kanne Kaffee ab. A ls der Kaffee eingeschenkt und serviert war, zog sich Claire zurück und ließ sie wieder allein.
»Miss Haley, Kirchoffs hat das Potential, ein bedeutender Name in der Modebranche von San Francisco zu werden, doch es war zu lange in den Händen von alten Männern ohne V isionen, mein V ater eingeschlossen.«
Er nippte an seinem Kaffee, dann fuhr er fort. »Als ich die Leitung übernahm, habe ich erst mal Köpfe rollen lassen –
im übertragenen Sinne, versteht sich.« Er lächelte, und Kathleen spürte die immense W irkung seines Charmes. »Es fiel mir nicht leicht, vor allem, da einige der A ngestellten, die ich entließ, seit zwanzig Jahren und länger hier waren, aber es war einfach notwendig. Ich gab jedem Filial- und A bteilungsleiter angemessen viel Zeit, um seinen oder ihren Bereich neu zu strukturieren. W er das nicht schaffte, musste gehen.« Er hielt kurz inne. »Möchten Sie noch etwas?«
»Nein, danke.« Sie stellte ihre T asse wieder auf das T ablett.
»Lassen Sie mich jetzt zum Kern kommen, Miss Haley. Sie werden sich sicher schon fragen, worauf ich eigentlich mit alldem hinauswill.«
»Ich habe mich nicht gelangweilt, Mr. Kirchoff.«
Er erwiderte ihr Lächeln und drückte auf einen Knopf, der seinen motorisierten Rollstuhl in Bewegung setzte. Er kam um den Schreibtisch herum, bis er neben ihrem Stuhl stand. Nach der Länge seines Oberkörpers und seiner Beine zu urteilen, musste er stehend sehr groß gewesen sein vor seinem Unfall.
»Ich suche jemanden, der den gesamten Einkauf für unser Haus koordiniert. Und ich möchte Ihnen ein Geheimnis anvertrauen. Ende des Jahres werden wir mit dem Bau
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