Glutopfer. Thriller
die Bucht, aber wenn man unbedingt will, kann man seine Zeit damit verschwenden, es zu orten.«
»Das gebe ich weiter. Was genau wollen Sie von mir?«
»Lies die Schrift an der Wand. Erweise dich deines Namens als würdig und lege Zeugnis ab von dem mächtigen Werk, das ich vollbringen werde. Ich habe eine Vision. Oh, du müsstest sehen, was ich sehe – und du wirst es sehen. Glaube, Daniel, und ich werde dir zeigen große und wunderbare Werke, von denen du keine Kenntnis hast.«
Bevor Daniel etwas sagen kann, ist die Verbindung unterbrochen.
»Zu kurz, um es nachzuverfolgen«, sagt Sam.
»Das Handy war gestohlen. Nach allem, was er gesagt hat, kennt er sich mit Ermittlungstechniken aus.«
Sie nickt.
»Wer tut das nicht, heutzutage? Er wird uns keine Hinweise hinterlassen, mit denen wir arbeiten können, stimmt’s?«
»Keine physischen«, bestätigt Daniel, »aber viele psychologische und religiöse – und zwar unabsichtlich.«
»Du willst, dass das verdammte FBI deinen Fall übernimmt?«, fragt Stan Winston verschlafen und in scharfem, ärgerlichem Ton.
Sie hat ihn geweckt, aber liegt es nur daran? Hat jemand neben ihm geschlafen? Fühlt er sich schuldig? Wahrscheinlich nicht. Aber vielleicht ertappt, in seiner Privatsphäre gestört.
»Natürlich nicht, aber –«
Sie hat Daniel an der Louisiana Lodge abgesetzt und fährt nun erschöpft zurück zu ihrem traurigen, einsamen Zimmerchen im Driftwood. Auf der Fahrt vom Tatort zurück hatten sie ein gutes Gespräch, und davor hat Sam Daniel gern bei der Arbeit beobachtet. Es hat ihr gefallen, dass sie zuschauen konnte, wie er im Kopf die Fäden des Rätsels entwirrte – und jetzt muss sie ständig an ihn denken.
Sie hat Stan angerufen, um ihn auf den neuesten Stand zu bringen und ihm vorzuschlagen, dass zur Unterstützung bei der Suche nach einem offenbar methodisch vorgehenden, zwanghaften Ritualmörder nun wirklich das FBI hinzugezogen werden sollte, aber sie hätte es besser wissen müssen.
»So wird es aber laufen«, sagt er. »Du ziehst sie hinzu, und wir sind raus.«
Das stimmt nicht, aber so etwas darf sie nicht laut sagen. Stans Probleme mit den Bundesbehörden hatten immer mehr mit seinem Ego als mit deren Vorgehensweisen zu tun.
Nun kommt ihr die Nacht noch dunkler vor, und sie hält nur mit Mühe die Augen offen, während das Fernlicht letzte Nebelfetzen durchdringt, die, kleinen Gespensterversammlungen gleich, am ländlichen Highway lauern.
»Die sollen mich nur unterstützen«, sagt sie.
Sie kennt sich gut genug aus, um zu wissen, wann sie um Unterstützung bitten muss – wann Verstärkung nötig ist. Es ist früh, das stimmt, aber sie sieht schon, dass sie der Sache allein nicht gewachsen ist, und so sehr sie sich auch nach einem Fall wie diesem gesehnt hat, verliert sie ihn lieber, als Menschenleben aufs Spiel zu setzen, weil sie ihn unbedingt als Einzelkämpferin lösen muss.
»Die unterstützen dich nicht, die übernehmen. Und was glaubst du, wie oft wir uns das erlauben können, bis man uns für überflüssig erklärt? Du weißt doch noch nicht mal, womit du es da zu tun hast.«
»Doch, weiß ich. Ja.«
»Du weißt nicht mal, ob die beiden Opfer zum selben Fall gehören. Da gibt es nämlich verdammt große Unterschiede. Vielleicht besteht gar kein Zusammenhang.«
»Doch. Das weiß ich. Es handelt sich um eine ganz große, üble Sache, und sie wird noch viel übler werden.«
»Wenn du damit nicht umgehen kannst, schicke ich jemand anders, aber kein FBI . Ich will, dass das bei uns bleibt.«
Wie konnte sie sich bloß von diesem Drecksack daran hindern lassen, etwas mit Daniel anzufangen? Wie konnte sie überhaupt je mit ihm zusammen sein?
»Ich kann damit umgehen«, sagt sie. »Aber ich brauche Unterstützung.«
Warum suche ich mir eigentlich immer egoistische, narzisstische Arschlöcher aus? Nicht immer. Da ist noch Daniel. Was hat es damit auf sich? Vielleicht habe ich endlich ein paar Sachen kapiert.
»Gut«, sagt Stan. »Halte dich an unsere Leute. Zum Teufel, du bist doch die Expertin, wenn es um solche Fälle geht. Das FBI müsste uns anrufen. Wenn dir jemand beim FBI einen Gefallen schuldet, dann zieh ihn meinetwegen heran, aber sonst machst du nichts. Schau dir an, womit du es zu tun hast, bevor du daran denkst, Fälle abzugeben.«
15
»Ich weiß nicht genau, wie viel davon zur Anwendung kommen wird«, sagt Sam. »Ich glaube, wir haben es mit der seltenen Ausnahme zu tun, die das, was ich Ihnen gleich
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