Glutopfer. Thriller
alles gegeben, was er braucht, um meine Mission zu verstehen, meine Botschaft, aber kann er die Zeichen lesen? Versteht er die Hinweise? Oder weiß er zu viel? Das wäre nicht gut. Wenn er zu rasch zu viel weiß, verdirbt er den Plan, und dieses Risiko kann ich nicht eingehen.
Es ist besser, wenn er noch etwas hat, worum er sich Sorgen machen kann.
31
Als sie vom Klingeln des Telefons aus tiefem Schlaf gerissen wird, rast ihr Herz, ein Gefühl der Bedrohung breitet sich in ihr aus, denn sie rechnet damit, dass der Anruf schlechte Nachrichten bringt.
»Agent Michaels«, sagt sie.
»Habe ich dich geweckt?«
Die beunruhigende Stimme ist mit Hilfe eines Computers verfremdet, sodass der Mann, wenn es denn einer ist, wirklich wie ein Monster klingt.
»Macht nichts«, sagt sie. »Ich war gerade –«
Plötzlich bemerkt sie das Bild auf dem kleinen Display. Sie hebt die Schulter, um das Telefon festzuklemmen, greift nach ihrer Waffe auf dem Nachttisch und knipst die Lampe an.
Er war in meinem Zimmer. Sie sieht sich hastig um.
»Ach ja. Ich habe dir eine Kleinigkeit dagelassen. Ich hoffe, du hast nichts dagegen. Ich dachte, du freust dich darüber. Ich weiß nicht, was mich veranlasst, dir immer wieder zu helfen, aber was soll’s. Übrigens siehst du sehr schön und verletzlich aus, wenn du schläfst. Das gefällt mir. Ich finde, das war wirklich clever von Chabon.«
Nachdem sie das Zimmer abgesucht und sichergestellt hat, dass sie allein ist, steht sie vor der Frisierkommode und starrt auf ein kleines, tragbares Videogerät, das auf der aufgeschlagenen Gideon-Hotelbibel thront.
Auf dem Bildschirm ist die Videoaufnahme einer sehr einfachen öffentlichen Toilette zu sehen. Das Material ist aus einem seltsamen Winkel von oben aufgenommen und zeigt einen alten, verrosteten, langsam tropfenden Wasserhahn über einem verdreckten Becken aus Porzellan. Im Spiegel dahinter sieht man die gesamte Toilette und darin Brian Katz, den Kameramann von Pine Key Productions, der festgeschnallt auf einem Stuhl sitzt, während um ihn herum offene, umgekippte Benzinkanister auf dem nassen Boden liegen. Hinter ihm steht die Tür zu einer kleinen Abstellkammer offen. Darin befindet sich aufrecht an der kahlen Betonziegelwand ein Heißwasserbereiter, dessen untere Abdeckung entfernt wurde. Um ihn herum ist ein glattes weißes, offenbar von Brennstoff feuchtes Laken drapiert, auf dem offene Benzinkanister stehen und das mit einem Zipfel den freiliegenden Brenner des Heißwasserbereiters berührt.
»Ich habe diese alberne Gideon-Bibel für dich aufgeschlagen, und ich sage nur noch eins. Du wirst suchen und finden, wenn du den Ort der allerersten Opferung suchst. Mach’s gut.«
»Er war in meinem Zimmer«, sagt sie immer wieder.
Daniel empfindet die frustrierende Mischung von Wut und Hilflosigkeit. Er ist ins Hotel gekommen, um die Bibelpassage zu lesen und zu überlegen, wo Brian sich aufhalten könnte.
»Es tut mir so leid«, sagt er. »Ich habe jede Menge leere Zimmer. Du kannst gern bei mir wohnen.«
Sie ist nun angezogen und bewaffnet, aber nervös und offenkundig sehr unruhig, weil sie den Übergriff und die eigene Wehrlosigkeit nicht verarbeiten kann.
»Lass mich das Video sehen, bevor ich die Passage lese«, sagt er.
Sie spielt es ab.
Er sieht es sich an.
»Viele Brandstifter benutzen diese Technik zur Zeitverzögerung, um sich ein Alibi zu verschaffen. Man macht den Heißwasserbereiter einfach unten auf und befestigt Papier oder Stoff neben dem Brenner. Sieht aus, als hätte unser Mann ein benzingetränktes Laken benutzt. Dann lässt man das Wasser laufen. Wenn im Tank ein bestimmter Stand erreicht ist, füllt er sich wieder auf, und durch das kalte Wasser wirft der Thermostat den Brenner an. Und der entzündet dann das brennbare Material.«
»Wie viel Zeit hat Brian noch?«
»Schwer zu sagen. Es tropft sehr langsam, aber wir reden eher von Minuten als von Stunden. Je nachdem, wie die Temperatur eingestellt ist, springt der Heißwasserbereiter irgendwann an, um das Wasser warmzuhalten – auch, wenn der Tank noch voll ist.«
Er nickt.
»Der Waschraum sieht aus wie die in einem Highschool-Fußballstadion. Was genau hat er gesagt?«
»Etwas von wegen den Ort der ersten Opferung suchen und finden. Zuerst dachte ich, er meint draußen in der Nähe des Bahndepots, aber wir haben das ganze Gebiet erfasst. Da gibt es sonst keine Gebäude.«
»Höchstens unterirdisch«, sagt er.
»Das hältst du für möglich?«
Er
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