Glutopfer. Thriller
ländlichen Süden sprießen, und wenn jemand weiß, ob es eine Gemeinschaft wie die gesuchte überhaupt gibt, dann ist es Dr. Morgan Haddon.
Er ruft Haddon von seinem Handy aus an, als er gerade den Damm von Pine Key nach Bayshore überquert. Es ist das erste Mal, dass er jemanden aus dem Institut anruft, seit er gegangen ist, und er würde es ganz bestimmt nicht tun, wenn er das Gefühl hätte, eine Wahl zu haben.
»Dan, bist du das wirklich?«
»Ja.«
»Wie geht’s dir?«, fragt er, obwohl sie sich nicht einmal während ihrer Zusammenarbeit besonders nahegestanden haben und sein Ton lediglich mäßige Neugier verrät.
»Ganz gut, danke.«
»Wir waren alle so betroffen, als das mit Graham passiert ist, und dann auch noch zu erfahren, dass er und Holly –«
»Waren sie nicht«, sagt er. »Er hat ihr nur viel bedeutet.«
»Habe ich richtig gehört, dass du an einem nichtakademischen Buch arbeitest?«
»Du wusstest gar nicht, dass es so was gibt, stimmt’s?«
Er lacht.
»Jemand meinte, es sei so eine Art Ratgeber.«
Überflüssigerweise erinnert ihn der kurze Wortwechsel daran, wie kleinlich und aufgeblasen die abgeschlossene, isolierte Welt der Hochschule manchmal ist.
»Was meinst du, kommst du wieder zurück?«, fragt Haddon.
»Ich kann mir keine entsprechenden Umstände vorstellen.«
Weil Daniel das Gespräch so bald wie möglich beenden will, erklärt er, warum er angerufen hat und was er sucht.
»Brauchst du das für dein Buch?«, fragt Haddon, und es klingt amüsiert.
»Nein, ich suche eine neue Kirche, der ich beitreten kann.«
Das ist ein Scherz, und Haddon weiß es, reagiert aber so, als wüsste er es nicht.
»Bist du wieder zum Kirchgänger geworden?«
Daniel lacht.
Daniel geht nicht zur Kirche und kennt am Institut für Religionswissenschaft keinen einzigen Professor, der das täte, steht aber organisierter Religionsausübung bei weitem nicht so ablehnend gegenüber wie seine Kollegen. Haddons Bemerkung war beleidigend gemeint, aber Daniel stellt fest, dass ihm inzwischen egal ist, was dieses hohle, geschwätzige Männchen denkt.
»Kennst du Gemeinschaften, auf die diese Kriterien passen?«, fragt Daniel.
»Ja, in der Tat«, sagt Haddon. »Und beide sind gleich bei dir um die Ecke, sozusagen. Einer meiner Doktoranden forscht über sie. Soll ich dafür sorgen, dass er dich mal anruft?«
»Gibt’s irgendwelche religiösen Spinner, die für Sie arbeiten?«, fragt Travis.
»Nur ein paar von Ihren Verwandten«, sagt Bernie Clark.
Dabei lächelt er nicht, und Travis weiß nicht recht, ob das jetzt ein Witz sein sollte. Travis ist Wiedergeborener Christ und schämt sich nicht für die Lehre, außerdem weiß jeder, wo er steht, aber dass ihn jemand für einen Jesusfreak hält oder so, das hätte er nicht gedacht.
Bernie Clark ist ein älterer Mann, der wahrscheinlich auf die siebzig zugeht und dessen tiefgebräuntes Gesicht unter dem kräftigen weißen Haar mit einem dichten Faltennetz überzogen ist.
»Im Ernst«, sagt Travis.
Die beiden Männer stehen an der Zufahrt zu einem Stück neu erschlossenem Baugrund namens Whispering Pines Estates neben Clarks überdimensioniertem Pick-up, an dem eine Tür mit der Aufschrift Bernie Clark Construction offen steht, sodass man ein Chaos aus Bauplänen, Materialkatalogen, leeren Pepsiflaschen und Werkzeugen sieht.
Der Pick-up parkt auf einer frisch asphaltierten Straße, die am voll möblierten Modellhaus samt Backsteinfassade und angelegtem Garten vorbei zu einem Dutzend weiterer Gebäude in unterschiedlichen Stadien der Fertigstellung führt.
»Sie müssen sich schon etwas genauer ausdrücken«, sagt Clark.
Kein Bauunternehmer in Pine County beschäftigt mehr Arbeiter als Bernie Clark. Er zieht in Bayshore mehr neue Häuser hoch als alle anderen Baufirmen zusammen, und im Unterschied zu diesen baut er auch allerhand Villen auf Pine Key. Die einfallslosen kleinen Erstkäuferhäuschen auf Viertelmorgengrundstücken könnte im Rahmen der vielen Neuerschließungen in ganz Bayshore jeder bauen, aber um auf Pine Key Villen hochzuziehen, die den Juden gefallen, braucht man einen, der sein Handwerk versteht. Clarks zahlreiche Trupps lassen sich in zwei Kategorien einteilen – die einen arbeiten in und um Bayshore, und das sind viele, die anderen arbeiten in Pine Key, und das sind nur wenige.
Travis denkt: die Wenigen, die Stolzen, die Judenhausbauer, und lächelt.
»Ist irgendwas lustig?«, fragt Clark.
»Nein, Sir.«
Diese billig
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