Gnadenfrist
sehr gute Freundinnen; wenn sie sich unterhielten, besonders über Männer, schwang immer eine kaum verhohlene Kritik mit. Ich fühlte mich dann ausgeschlossen. Ausgeschlossen und an allem schuld.
»Wir können ein Kindermädchen einstellen«, bot ich an. »Helena, Liebste, wenn du dich dadurch besser fühlst, vergesse ich sogar meine Prinzipien und lasse dich bezahlen.«
Dieses mitfühlende Angebot entspannte die Situation keineswegs. Ich beschloß, das Weite zu suchen. Als Grund schob ich vor, den Mülleimer ausleeren zu wollen, nahm ihn und trabte pfeifend nach unten, während die beiden Damen grummelnd zurückblieben. Sollten sie doch. Ich würde in der Nähe bleiben und den Rest des Abends in der neuen Wohnung auf der anderen Seite der Brunnenpromenade verbringen. Ein zweites Heim, in das man entfliehen konnte, wurde mehr und mehr zur guten Idee.
Ich war durcheinander. Mit dem endgültigen Beweis konfrontiert, daß ich tatsächlich Vater werden würde, brauchte ich Zeit zum Nachdenken. Allein.
Ich hatte einen guten Augenblick gewählt. Der Korbflechter begrüßte mich mit der Nachricht, daß sein Bekannter, der Karren vermietete, gleich einen für mich vorbeibringen würde, so wie wir es bereits vereinbart hatten. Der Karren konnte wegen des tagsüber geltenden Fahrverbots nur abends hergefahren werden, und weil ich ihn ein paar Tage behalten wollte, während ich die Wohnung ausräumte, waren Vorbereitungen notwendig. Ich wollte den Karren als vorübergehende Müllkippe benutzen. Dafür mußten wir ihn auf Böcke stellen und die Räder abmontieren, weil er sonst bestimmt geklaut würde. Das war kein einfaches Unterfangen. Danach mußten wir die Räder in die Werkstatt des Flechters rollen und noch dazu zusammenketten. In der kurzen Zeit, die der Flechter, der Karrenbesitzer und ich im Laden mit dem Sichern der Räder verbrachten, hatte irgendein Spaßvogel einen halben wurmzerfressenen Bettrahmen und einen kaputten Schrank auf meinen Müllkarren geladen.
Wir zerrten das Zeug runter und ein paar Schritte weiter vor einen unbenutzten Laden auf der anderen Straßenseite, damit die Ädilen weder uns (noch jemand, den wir kannten) die Gebühren für die Straßenreinigung aufbrummen konnten. Zum Glück kam Maia gerade herunter, also bat ich sie, mir ihren Ältesten zu schicken, damit er für ein oder zwei Kupfermünzen als Wachposten dienen konnte.
»Du bekommst ihn morgen«, versprach Maia. »Du kannst Marius haben, wenn er aus der Schule kommt, aber wenn du schon vorher eine Wache brauchst, mußt du dir einen von Gallas oder Allias schrecklicher Brut krallen.«
»Marius kann ruhig ein paar Stunden versäumen.«
»Kommt nicht in Frage. Marius geht gern zur Schule!« Maias Kinder waren erstaunlich gut erzogen. Da mir nicht daran gelegen war, die Welt mit noch mehr Vandalen und Faulenzern zu bevölkern, munterte mich das richtig auf. Vielleicht konnte allen gegenteiligen Beispielen zum Trotz, die mir alltäglich in Rom begegneten, Elternschaft doch funktionieren. Vielleicht würde auch mir ein lernbegieriges, höfliches kleines Wesen geboren werden, das seiner Familie Ehre machte. »Leg heute nacht eine Plane drüber. Famia sagt, das macht einen Müllkarren unsichtbar.«
Famia, ihr Ehemann, war ein faules Schwein; klar hatte er erkannt, daß es den Leuten lästig ist, wenn sie erst eine Plane hochheben müssen, bevor sie ihren Müll bei jemand anderem abladen.
Maia umarmte mich plötzlich. In unserer großen Familie war sie als einzige jünger als ich; wir hatten uns immer sehr nahegestanden. »Du wirst einen prachtvollen Vater abgeben!«
Ich betonte, daß noch eine Reihe Unwägbarkeiten vor uns lagen, bevor es tatsächlich so weit war.
Nachdem Maia gegangen war, begann ich Schutt aus der Wohnung im ersten Stock zu schleppen. Der Korbflechter sagte, er hieße Ennianus, und versicherte mir, er würde ja nur zu gern helfen, habe aber einen schlimmen Rücken, von dem nur wenige Leute wüßten. Ich antwortete, da könne er ja froh sein, daß der Korbverkauf so wenig Bücken und Heben erforderte, und er schlurfte davon.
Ich brauchte ihn nicht, rollte meine Tunikaärmel bis zu den Schultern hoch und machte mich an die Arbeit wie ein Mann, der etwas Beunruhigendes zu vergessen sucht. Obwohl es bereits Herbst war, waren die Abende doch noch hell genug für ein oder zwei Stunden Schwerstarbeit. Die ganze Wohnung war vollgestopft mit dreckigem alten Zeug – ich stieß zum Glück weder auf Leichen noch auf
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