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Gnadenfrist

Titel: Gnadenfrist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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bestätigte Petronius kurzangebunden. »Gut beobachtet, Jungs.«
    Er kam zu uns zurück. Wir hatten schweigend zugehört. Mit leiser Stimme fragte er Martinus: »Stand so was auf der Liste?«
    Martinus zuckte die Schultern. »Schon möglich. Ich hab die Liste nur zusammengestellt. Du weißt, wie lang sie war. Ich wußte ja nicht, daß ich sie auch noch auswendig lernen sollte.«
    Als er die Mißbilligung seines Chefs spürte, überlegte er es sich anders. »Vielleicht. Könnte gut sein.«
    Petro wandte sich an mich. »Du bist der Experte für Antiquitäten, Falco. Ist das hier etruskisch?«
    Er hätte besser Papa gefragt. Ich trat an den Kopf der Leiche und sah mir das Ding an. Es war ein großes Gefäß mit weiter Öffnung und zwei Griffen, wie der Wachmann gesagt hatte, jede mit zwei Platten befestigt und mit reliefartigen Satyrköpfen verziert. Hübsch. Vermutlich aus einem Grab gestohlen. Mein Vater wäre hingerissen; meine Mutter hätte es als »zu gut für täglich« bezeichnet.
    »Sieht ziemlich alt aus. Eines kann ich mit Sicherheit sagen«, räumte ich ein, »der Topf ist äußerst wertvoll. Ich persönlich würde noch nicht mal meine Lieblingsoma da reinstopfen.«
    Petronius sah mich an. »Wer würde so was wegschmeißen, Falco?«
    »Jemand, der weiß, was es wert ist. Unseren Freund in diesen Topf zu stopfen, war eine Aussage: Wir haben ihn wegen des Diebstahls getötet – und hier ist ein Gegenstand, der es beweist.«
    »Was beweist?« fragte Fusculus.
    Petro sagte es ihm: »Daß wir jetzt am Ruder sind.«
    Martinus überlegte laut: »Und wer ist dann der Mann, der sich das Ruder hat aus der Hand nehmen lassen? Der Mann in dem Topf?«
    Ich stieß mit dem Fuß gegen das hübsche Ding, versuchte, es auf diese Weise loszukriegen. Es ging nicht. Wie ein ungezogenes Kind, angestiftet von einem noch ungezogeneren Bruder, hatte sich diese Leiche total verklemmt. Mein Kopf hatte auch mal in einem Topf gesteckt. Die Erinnerung daran ließ mich immer noch in Panik geraten. Man hatte mich mit kaltem Wasser und Olivenöl befreien müssen. Noch immer hörte ich die beruhigende Stimme meiner Mutter, während sie meine Ohren aus dem Topf befreite – und spürte die kräftige Ohrfeige, die sie mir gleich darauf verpaßt hatte.
    Bei einem Toten gab es wenigstens keinen Grund, vorsichtig mit den Ohren umzugehen.
    Ich hockte mich hin, packte die beiden Griffe und zerrte das Ding von seinem Kopf. Dann warf ich es weg, und es rollte mit lautem Scheppern über den blutbefleckten Boden. Mein Vater hätte vor Entsetzen aufgeschrien, und der Besitzer würde sich zweifellos über die Dellen beschweren, die das Gefäß abbekommen hatte. Aber ich hatte kein schlechtes Gewissen. Es war dazu benutzt worden, einen Menschen zu foltern. Seine Schönheit war besudelt. Sein Preis war gefallen.
    Der Gedanke, die Leiche zu berühren, ließ uns alle zurückzucken. Vorsichtig zog ich den Umhang vom Kopf des toten Mannes.
    Abgesehen von einer Verfärbung war das Gesicht unverletzt. Wir erkannten ihn sofort. Wenn er seine Stiefel getragen hätte, statt barfuß zu sein, hätte ich ihn vermutlich schon früher erkannt. Es war Nonnius Albius.

XXX
    Petronius übernahm das Kommando in seiner ruhigen, resignierten Art.
    »Martinus, du hast die Liste der gestohlenen Gegenstände zusammengestellt. Bring dieses hübsche etruskische Weingefäß zu seinem Besitzer, damit er es identifiziert. Vielleicht solltest du vorher das Blut abwaschen. Ich brauche vernünftige Antworten. Paß auf, daß er nicht hysterisch wird.«
    »Da muß ich aber erst aufs Revier und nachschauen, wem sie gehört.« Martinus war ein fauler Hund.
    »Ist mir völlig egal, wie du die Sache anpackst« knurrte Petro erbost.
    »Was ist, wenn der Mann seinen Topf zurückhaben will?« fragte Fusculus, um Frieden zu stiften.
    Petro zuckte die Schultern. »Von mir aus. Ich glaube nicht, daß wir ihn als Beweisstück brauchen. Wenn der Topf Fragen beantworten könnte, würde ich ihn auf einen Schemel stellen und loslegen, aber ich glaube, das Ding wäre ein unwilliger Zeuge …«
    Er verstummte und tat so, als fiele ihm der Trupp, der sich nun näherte, nicht auf. Fusculus stöhnte leise auf. Ich erkannte Tibullinus, den Zenturio der Sechsten Kohorte, der mir nicht sonderlich gefallen hatte. Er mußte von der Leiche gehört haben. Flankiert von einer kleinen Ehrengarde, kamen er und sein Kumpel Arica mit raschen Schritten näher. Sie blieben stehen, verschränkten die Arme und beobachteten

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