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Gnadenlose Gedanken (German Edition)

Gnadenlose Gedanken (German Edition)

Titel: Gnadenlose Gedanken (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Wagner
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warum ist es mir nicht erlaubt? Warum wird man mich einsperren, wenn ich ihn töte? Warum wird man mich in eine kalte, dunkle Zelle sperren, wenn ich ihn auslösche? Warum wird man mich in ein Loch werfen, wo die Ratten mich finden und fressen werden? Warum erkennen sie nicht? Bin ich denn wirklich der einzige Mensch, der diese Gefahr sieht? Muss ich wirklich alleine kämpfen? Doch ich bin bereit, diesen Kampf aufzunehmen! Weil ER es will, weil ER mich beschützen wird, so wie ich SEINE Erde beschützen werde. Ich
muss
diese Missgeburt auslöschen, er schwächt meine Rasse! Und wenn ich ihn vernichtet habe, dann muss ich fortfahren. Dann muss ich
alle
Schwachen töten. Es wird eine harte Arbeit sein, denn es gibt zu viele von ihnen. Doch GOTT wird mir die nötige Kraft dazu geben. ER wird mein Begleiter sein. Mein Führer. ER macht mich stark, ER macht mich
unbesiegbar
!]

    Ich konnte seinen Schweiß riechen, ich konnte deutlich spüren, wie sehr er dem Trieb verfallen war, mich zu töten. Ja, ich konnte seinen Angstschweiß riechen! Denn er fürchtete sich vor mir. Wie eine zu klein geratene Ratte eine Gefahr für ihre Artgenossen sein konnte, glaubte er, dass ich ihn in Gefahr bringen könnte. Er dachte, dass meine Schwäche ihn verwundbarer machte, und das flösste ihm eine Heidenangst ein. Er war in dem Glauben, dass Gott ihn dazu ausersehen hatte, die Welt zu retten. Er dachte ernsthaft, ich könnte ihm dabei im Weg stehen. Wie kaputt musste eine Seele sein, dass sie von solchen Gedanken geleitet wurde?
    Immer noch versuchte ich fieberhaft, ihn zu identifizieren. Doch dies war sehr schwierig. Denn ich wusste nicht, wie ein Irrer aussah. Die einzigen Wahnsinnigen, die ich jemals kennengelernt hatte, waren die Schurken aus Hollywood gewesen. Sie zogen ihre Augenbrauen tief hinunter und lächelten debil in die Kameras, die ihre geschminkten Gesichter in einem diffusen Licht aufnahmen. In einem Film war schon nach wenigen Minuten klar, wer der Böse, und wer der Held war. Doch hier war es anders. Jeder hier auf dem Platz konnte es sein. Jeder konnte verrückt genug sein, solche Gedanken zu haben. Das hatten mir die letzten Wochen bewiesen. Ein Gesicht konnte noch so harmlos wirken, dahinter konnten sich tiefschwarze Gedanken verbergen. Und mein besonderer Freund hatte bestimmt die Fähigkeit, sich zu verstellen, sich zu tarnen. Das war mir klar. Er war gerissen. Gerissen und verängstigt. Eine höchst gefährliche Mischung!
    Wieder suchten meine Augen nach ihm. Sie schnellten von der einen Seite des Platzes zur anderen, immer wieder. Doch nirgendwo blieben sie haften, keiner sah gefährlich genug aus. Doch um mich zu retten, um mein Leben zu retten, musste ich wissen,
wer
es überhaupt in Gefahr brachte!
Wohin
sollte ich denn fliehen, wenn ich noch nicht einmal wusste, vor
wem
?

    Ich beschloss, erst einmal den Heimweg anzutreten, vorsichtig darauf bedacht, viele Menschen um mich herum zu haben. Denn irgendwie fühlte ich mich wenigstens ein bisschen sicherer, solange ich mich in dem Pulk befand. Ganz egal, wie verrückt der Bursche auch war, er würde es niemals wagen, mich vor so vielen Zeugen anzugreifen.

    Ich hatte mich gerade mit meinem Rollstuhl auf der Stelle gedreht, wie ich es seit meiner Zeit in der Reha-Klinik schon tausendmal gemacht hatte, als sich meine Nackenhaare aufstellten. Er war hinter mir! Ich spürte ihn. Ich spürte ihn so instinktiv, wie ein Schaf den sich anschleichenden Wolf bemerkte, lange bevor es ihn wirklich wittern konnte. Plötzlich wusste ich es einfach. Er war auf dem Weg zu mir. Und er ging sehr schnell! Ich spürte es einfach. Ich wusste es genau so gut, wie ich meinen Namen wusste. Schnell drehte ich mich wieder um. Was ich dann auf mich zukommen sah, raubte mir alle Illusionen. Vergiss alle Klischees, die du aus Hollywood kennst! Vergiss sie sofort, denn sie untertreiben! Was da mit weit ausholenden, aber keineswegs hastigen, Schritten auf mich zu kam, hatte nichts mit den Bildern gemeinsam, die aus der Traumfabrik in unsere Kinos kamen. Hannibal Lecter wäre schreiend davon gelaufen, wenn er diesen Koloss gesehen hätte, der auf dem Weg war, mich zu töten. Er war mindestens 2Meter30 hoch, und sein Brustumfang war wohl nur unwesentlich geringer. Seine Schuhe erinnerten mich an Betonsockel für Verkehrsschilder. Irgendwie war ich überrascht, dass der Boden unter meinem Rollstuhl nicht bei jedem seiner Schritte erzitterte. Seine Beine waren Baumstämme, die nur unter

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