Gnadenlose Gedanken (German Edition)
einsperren. Aber Jesus wollte nicht in ein Gefängnis! Gefängnisse waren kalt, und dort wimmelte es nur so von Ratten. Diese ekelhaften Ratten liebten kalte Gefängnisse. Das wusste er von seiner Mami. Sie hatte überhaupt alles über Ratten gewusst. Dass sie gerne in Kellern und Gefängnissen hausten, weil sie sich dort so gut verbergen konnten. Und weil sie dort
Dinger
finden konnten. Eigentlich waren Ratten Allesfresser. Aber am liebsten fraßen sie die
Dinger
von Jungen und Männern. Weil die
Dinger
und die Ratten schmutzig waren. Außerdem wusste er von Mami auch, dass Ratten genauso krankmachen konnten, wie die
Dinger
. Mami war auch von so einem
Ding
krankgemacht worden, das hatte sie ihm einmal erzählt. Von einem Mann namens „Vater“. Der hatte ihr sein
Ding
irgendwo hineingesteckt, und danach war sie dann sehr krank geworden. Aber sie war nicht daran gestorben! Der HERR hatte ihr verziehen, und dann hat ER sie wieder gesund werden lassen.
Weil die Ratten am liebsten
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fraßen, waren sie natürlich auch krank. Sie wollten alle Menschen mit ihren Krankheiten anstecken, das leuchtete Jesus ein. Weil die Menschen Kinder des HERRN waren, wollte ER natürlich, dass die Ratten von dieser Welt verschwanden. Sie mussten ausgerottet werden. Sie und alle ihre Freunde. So wie der Krüppel. Der kranke Mann im Rollstuhl war selbstverständlich ein Freund der Ratten! Und der dicke Polizist war ein Freund des Krüppels, genauso wie es der Teufel in den Kirchenkleidern gewesen war. Das hatte Jesus schmecken können, als er das Blut des Geistlichen getrunken hatte. Je schwächer der Mann geworden war, umso stärker war er selber geworden.
Warum nur besaßen die Freunde der Ratten so viele Kräfte? Der Mann im Rollstuhl war mit Sicherheit der Mächtigste von ihnen. Welche Kräfte würde er Jesus erst verleihen, wenn bereits der verkleidete Teufel so viele Energien in sich geborgen gehabt hatte? Er konnte es kaum noch abwarten, es herauszufinden. Aber erst einmal musste er seinen Jäger erlegen. Irgendwie musste er ihn in eine Falle locken. Ihm würde schon etwas einfallen. Notfalls würde GOTT ihm den richtigen Weg aufzeigen. ER hatte ihm bisher immer ein Zeichen gegeben. ER würde ihn auch dieses Mal nicht im Stich lassen. Jesus wartete. Er wartete auf den Polizisten, der wieder in die Wohnung des Rollstuhlfahrers verschwunden war. Er würde schon bald wieder herauskommen, denn Jesus hatte keine Spuren hinterlassen. Er hinterließ niemals Spuren! Wenn der Dicke wieder auftauchte, würde Jesus ihm schon bald seine Spielregeln beibringen.
14
Der Morgen nach meinem bühnenreifen Auftritt war verregnet. Ideal für einen melancholischen Abschied. Ich sagte Gertrud und Rolf "Goodbye". Und ich verabschiedete mich von meinem Erholungsurlaub. Denn seit gestern Abend wusste ich, dass zu Hause etwas nicht in Ordnung war. Und ich wusste, dass der Koloss dafür verantwortlich war. Die halbe Nacht hatte ich mit Manfred diskutiert, und versucht ihm zu erklären, warum wir dringend zurück nach Hause mussten.
Doch mussten wir das wirklich? Wollte ich das wirklich? Schließlich erwarteten mich zu Hause meine missratene Eltern und ein durchgeknallter Irrer, der noch mehr Kraft als Wahnsinn besaß. Was sollte ich denn dort? Warum nicht einfach hier bleiben? Einfach nicht mehr zurückkehren! Was würde ich in Deutschland schon zurücklassen? Meine Eltern wären vielleicht sogar ganz glücklich, wenn sie mich los wären. Und der wilde Koloss könnte mich dort lange suchen. Allerdings wäre ich ohne Manfred aufgeschmissen. Und er hatte sicher nicht vor, den Rest seines Lebens als Arschputzer und Krüppelbader zu verbringen. Er dachte da wohl eher an Dichter oder Philosoph, oder so.
Aber ich wollte nicht wirklich hier bleiben. Ich wollte kein Feigling mehr sein. Ich wollte mich nicht mehr in meinen Rollstuhl verkriechen, wie eine feige Ratte. Natürlich konnte ich gegen diesen Riesen nichts ausrichten. Was hatte ich seinen Kräften und vernichtenden Gedanken schon entgegenzusetzen? Ich kann über hundertachtzig Sekunden die Luft anhalten, und in acht Sprachen „Danke“ sagen. Aber ob das ausreichen würde, einen verrückten Kampfgiganten außer Gefecht zu setzen? Nee, wohl kaum! Trotzdem! Ich wollte mich nicht mehr vor ihm verstecken! Wenn er mich unbedingt haben wollte, ok, dann sollte er mich haben! Bevor er meine Eltern erwischte, oder sonst jemanden, der zwischen uns geraten könnte, sollte er lieber mich bekommen.
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