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Gnadenlose Gedanken (German Edition)

Gnadenlose Gedanken (German Edition)

Titel: Gnadenlose Gedanken (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Wagner
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hatte der Verrückte mit dem Gift vor? Laschek wäre nicht verwundert gewesen, wenn der Irre sich damit sein Frühstück zubereitet hätte. Er machte nicht den Eindruck, als ob er sich von gewöhnlichen Nahrungsmitteln ernähren würde.

    "Ich muss jetzt looos!“, sang er fröhlich und raschelte mit der Giftpackung.
    „Die kleinen Ratten warten nicht auf mich! Die wollen in die Ferien, aber vorher muss ich sie noch etwas verwöhnen. Es sind zwar nur Ratten, vernascht sind sie aber trotzdem. Also bis später, ich werde mich beeilen. Dann können wir unser kleines Spielchen fortsetzen. Und dann können wir uns gaaanz viel Zeit dabei lassen“, flötete er.

    Laschek hing unter der Decke, wie eine fluguntaugliche Fledermaus, und musste sich, wohl oder übel, mit dem Sterben noch etwas gedulden.

19

    Es war sehr kalt, als ich wieder zu mir kam, aber immerhin waren die wirren Gedanken der sterbenden Passagiere verschwunden. Also war meine Selbstbehandlung erfolgreich gewesen, übrig blieben nur ein leichter Kopfschmerz und eine Beule, die ich allerdings gerne in Kauf nahm.
    Aber die Kälte machte mir ganz schön zu schaffen. Es war nicht gerade ein strahlender Sommertag, und der eisige Wind auf meinen nassen Klamotten tat das Übrige. Meine Zähne schlugen aufeinander, die Haut sah aus, wie die eines halben Tiefkühlhähnchens. Ich rieb mir die Arme, aber auch diese Reibung erzeugte nicht die berühmte Wärme, die so doch eigentlich zustande kommen sollte.
    Wenn mich nicht bald jemand finden und retten würde, dann würde ich auch vielleicht damit anfangen, so einen Unsinn wie die anderen Schiffsbrüchigen zu denken. Woran würde ich in meinen letzten Minuten denken, welcher Film würde in
meinem
Gehirn ablaufen? Ich wollte es mir gar nicht erst ausmalen, zu skurril waren die Phantasien der anderen Menschen gewesen. Ich hoffte nur, sie würden nicht wieder den Weg in meinen Kopf finden. Ein zweites Mal wollte ich mich nicht dieser Behandlung unterziehen. Vielleicht würde ich das nächste Mal nicht wieder aufwachen.

    Ich war in einer beschissenen Lage, also musste ich sie ändern. Ich rief um Hilfe. Doch eigentlich war es nur ein scheues Flüstern, ein Wispern. Wenn man in den Hollywood-Filmen die Menschen um Hilfe schreien sah und hörte, dann erschien das immer so natürlich und selbstverständlich. In der Wirklichkeit musste man sich dazu allerdings überwinden, man schämte sich beinahe dafür, so um Hilfe betteln zu müssen. Vielleicht fürchtete man sich aber auch einfach nur davor, keine Antwort zu erhalten, alleingelassen zu werden? Solange man noch die Hoffnung auf Rettung haben konnte, war man noch nicht verloren. Erst wenn man sie aufgab, hatte man auch den Überlebenskampf verloren. Aber ich hatte inzwischen gelernt, zu überleben. Ich hing an meinem verkrüppelten Leben, und ich wollte solange darum kämpfen, wie mein angeschlagener Körper dazu noch fähig war. Also wiederholte ich den Hilferuf, und dieses Mal gelang er mir schon viel besser. Tarzan wäre stolz auf mich gewesen.
    „Hiiiiiilllllffffeeee!!! Hiiieieieieiellllfffeeeeeeeeeeee!!!“
    Meine Kehle schmerzte mir. Sehr gut! Solange ich Schmerzen verspüren konnte, war ich noch lebendig. Nur Maschinen und Tote fühlten nichts.
    „Hiiiiieieieieielllfffffeeeeeeeee!!!“
    Nichts.
    Keine Reaktion. Noch nicht einmal ein: „Leck mich am Arsch und helf dir selber!“
    Nichts.
    Was jetzt? Es würde bestimmt bald Rettung kommen. Die Schiffe und Fähren verfügten heutzutage doch über die modernsten Geräte. Funk und Radar. Ohne diesen Kram lief doch heute bestimmt nichts mehr, auf der ach so hohen See. Hoffentlich! Denn dann würde schon bald ein Schiff auftauchen und die Überlebenden, (und später, etwas diskreter, auch die Toten), einsammeln wie Fallobst. Jemand würde mir eine warme Decke um die zitternden Schultern legen, und mich tröstend anlächeln. Dann würde der Kapitän, (der natürlich ein wettergegerbtes Gesicht, mit einem schneeweißen Bart gehabt hätte), aus seinem ganz persönlichen Privatproviant einen Flachmann zücken. Und er würde mir die wärmende Flüssigkeit einflössen, die sich später als original selbstgebrannter Zuckerrohr-Schnaps aus der Karibik entpuppen würde. Ich konnte es kaum noch abwarten.

    Aber was wäre, wenn man das Unglück nicht registriert hatte? Was, wenn die Schiffseigner verschuldete Geizkrägen waren, die sich den überteuerten Funkschnickschnack gespart hatten? Immerhin war es doch schließlich zu dem

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