Gnadenlose Jagd
Anruf entgegennahm.
»Er ist nicht mein Scheich«, sagte Kilmer. »Er ist sein eigener Herr, und er lässt mich schon seit sechs verdammten Tagen warten.«
»Keine Antwort?«
»Nicht mal ein Wimpernzucken.« Er holte tief Luft. »Wie sieht’s bei dir aus?«
»Dasselbe wie gestern. Na ja, vielleicht nicht ganz. Eins von den Pferden hat sich heute Morgen von Grace streicheln lassen.«
»Verflucht. Welches denn?«
»Keine Ahnung. Ich kann sie aus der Entfernung nicht auseinanderhalten. Sie trennt sie jeden Tag für mehrere Stunden, und dann lässt sie sie abends wieder zusammen auf die Koppel.«
»Hast du Frankie gesehen?«
»In den letzten Tagen nur ein paarmal. Sie bleibt meistens bei dem Fohlen im Stall, bis sie es auf die Koppel bringen. Aber allem Anschein nach geht es ihr gut.«
»Und Grace?«
»Sie scheint ein bisschen abgenommen zu haben. Aber das wäre kein Wunder, wenn man bedenkt, dass sie von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang mit diesem Pferd arbeitet.« Dann fügte er hinzu: »Vor neun Jahren war ich nicht dabei, als sie mit den Zweien gearbeitet hat. Sie ist absolut außergewöhnlich. Man könnte meinen, sie liest die Gedanken von diesem Gaul.«
»Sag das lieber nicht, wenn sie in der Nähe ist. Sie kann sich ziemlich aufregen, wenn man sie mit Pferdeflüsterern vergleicht.«
»Ihr zuzusehen ist jedenfalls absolut faszinierend. Mal denke ich, der Hengst trampelt sie gleich tot, und mal frage ich mich, warum sie nicht einfach aufsteigt und ihn reitet.«
»Ist sie so nah dran?«
»Zumindest so nah, dass ich dir raten würde, deinen Arsch in Bewegung zu setzen. Du hast gesagt, Marvot wird mit ihnen in die Sahara fahren, sobald die Pferde zugeritten sind. Er kommt jeden Tag, um zu sehen, wie weit sie ist.«
»Behandelt er Grace und Frankie gut?«
»Soweit ich das beurteilen kann, ja. Ich sehe Wachleute, die ihnen zu essen bringen, ansonsten halten die Typen sich im Hintergrund. Aber er hat so viele Leute auf dem Grundstück, als müsste er die Kronjuwelen bewachen. Sie hier rauszuholen wäre verdammt schwierig.«
»Dann müssen wir es in der Wüste versuchen.«
»Genau.«
»Wie geht es dir?«
»Ich bin fast wieder hundertprozentig einsatzfähig. Die ganze Zeit hier rumzuhängen und das Geschehen zu beobachten ist die reinste Ruhekur. Ich könnte allmählich ein bisschen Action gebrauchen.«
»Ich hab so ein Gefühl, dass es ziemlich bald losgehen könnte. Ich kann nicht mehr lange warten. Ich werde dem Scheich also ein bisschen einheizen. Sobald ich seine Zusage habe, komme ich nach El Tariq und löse dich ab. Ich melde mich morgen wieder.« Kilmer legte auf.
Verdammt. Er war so frustriert, dass er hätte platzen können. Wenn Grace wirklich kurz davorstand, den Hengst zu reiten, konnte Marvot jeden Moment beschließen, in die Sahara aufzubrechen.
Entschlossen ging Kilmer zum Zelt des Scheichs. »Mir reicht’s. Diese Geheimnistuerei hängt mir zum Hals heraus. Ich brauche eine Antwort.«
»Sie sehen das falsch.« Der Scheich lächelte. »Die Orientalen sind diejenigen, die als unergründlich gelten. Und Sie sind nicht höflich. Schließlich haben Sie mich um einen Gefallen gebeten, nicht umgekehrt.«
»Ja oder nein?«
»Sie sind ja ganz verspannt. Brauchen Sie eine Frau? Ich besorge Ihnen eine. Fatima war ganz hingerissen von Ihnen, als Sie das letzte Mal bei uns waren. Sie hat mir gesagt, sie würde jederzeit –«
»Ich brauche keine Frau, ich brauche eine Antwort.«
Der Scheich grinste von einem Ohr bis zum anderen. »Ah, das hat gesessen. Ich wollte Ihnen nur eine Lektion in Höflichkeit erteilen, die Sie anscheinend dringend brauchen.«
»Mir läuft die Zeit davon. Mein Freund übernimmt die ganze Zeit meine Aufgabe in El Tariq. Ich muss unbedingt selbst dorthin.«
»Ich habe darüber nachgedacht«, sagte der Scheich. »Das Problem ist nicht leicht zu lösen. Soll ich das Leben meiner Leute aufs Spiel setzen, um irgendjemandes Rachegelüste zu befriedigen? Oder soll ich mich raushalten und zusehen, wie Marvot Sie fertigmacht und kriegt, was er will?«
»Wenn Sie sich nicht entscheiden, werden Sie keine Wahl haben.«
»Oh, ich habe mich entschieden. Ich fürchte, ich bin nicht der verantwortungsbewusste Anführer, der ich sein könnte.«
»Und das bedeutet?«
»Dass ich den Scheißkerl am Spieß braten werde.«
Der Hengst stand reglos in der Koppel und starrte sie an. Im Mondlicht glänzte sein Fell so silbern, dass er wirkte wie ein Fabelwesen. Grace bebte vor
Weitere Kostenlose Bücher