Gnadenlose Jagd
wich aus und sprang mit einem Satz auf den Zaun.
Sie spürte Charlies Kopf an ihrem Oberschenkel, als er an ihr vorbeigaloppierte.
Aber er machte nicht kehrt, um sie erneut anzugreifen, sondern tänzelte mitten in der Koppel umher. In seiner Haltung lagen Stolz, Arroganz und Verachtung. Als er sie ansah, schien Genugtuung in seinem Blick zu liegen.
Grace holte tief Luft und versuchte, die Hoffnung und das Hochgefühl zu unterdrücken, das sie überkam, als sie vom Zaun stieg. Zu früh. Viel zu früh.
Du bist ja schon nicht mehr ganz so kratzbürstig wie gestern. Aber du hast mir natürlich gezeigt, wer hier der Chef ist. Können wir uns also jetzt beruhigen und miteinander reden, ohne dass ich immer auf den Zaun springen muss? Ich bin müde. Und keiner von uns beiden hat letzte Nacht viel Schlaf bekommen.
Anscheinend war das zu viel verlangt. Charlie stieg und griff erneut an.
Grace sprang zum Zaun, schaffte es jedoch nicht ganz hinauf.
Er biss sie kurz in den Hintern, dann galoppierte er davon.
Verdammt, das tat weh. Sie rieb sich den Hintern und drehte sich vorsichtig nach dem Biest um.
Gott, er grinste regelrecht.
War das ein Spiel?
Sie hielt den Atem an. Ein Hoffnungsschimmer.
Ja, jetzt bist du zufrieden. Das war gar nicht nett. Du willst, dass ich dich allein lasse. Dabei weißt du, dass ich das nicht tun werde, aber eins sollst du wissen. Wenn du das noch mal tust, werde ich nicht mehr so eine lustige Spielkameradin sein. Ich bin nicht so stark wie du, und du könntest mich verletzen. Und ich glaube eigentlich nicht, dass du mich aus dem Verkehr ziehen willst.
Oder vielleicht wollte er das doch. Vielleicht irrte sie sich.
Langsam stieg sie vom Zaun, ohne Charlie aus den Augen zu lassen.
Er griff wieder an!
»Sie ist sehr dumm«, sagte Guillaume. »Das Pferd wird sie töten, und das geschieht ihr recht.«
»Schsch«, zischte Marvot, ohne den Blick von Grace abzuwenden. Seit einer Stunde beobachtete er sie. Das Heranstürmen des Pferds, die schnellen, behenden Ausweichmanöver der Frau – es war wie ein tödliches Ballett. Aber seit einigen Minuten war er davon überzeugt, dass das Spiel gar nicht so tödlich war, wie es den Anschein hatte. »Sie ist nicht dumm. Und ich glaube nicht, dass er sie töten wird.«
»Oh.«
Marvot sah seinen Sohn von der Seite an. »Enttäuscht? Warum?«
»Ich möchte nicht, dass die Zwei gezähmt werden. Sie sollen so bleiben, wie sie sind. Sonst gehören sie nicht mehr mir.«
»Sie haben dir nie gehört. Es sind meine Pferde. Und so, wie sie sind, sind sie mir nicht von Nutzen. Für Dinge, die mir nicht von Nutzen sind, habe ich keine Verwendung. Ich würde sie irgendwann töten lassen müssen.«
Guillaume sah zu Grace hinüber. »Und die Frau ist dir von Nutzen?«
Marvot nickte, während er zusah, wie Grace sich langsam dem Hengst näherte. Das Pferd blieb reglos stehen. Jedes Mal ließ er Grace ein bisschen näher an sich herankommen, ehe er auf sie losging. »Ja, sie ist mir von Nutzen.« Plötzlich musste er lachen und wandte sich Guillaume zu. »Aber nichts ist von Dauer. Ich zweifle nicht daran, dass dein Wunsch noch in Erfüllung gehen wird.«
»Wie kommst du voran?«, fragte Grace, als sie in den kühlen Stall trat.
»Nicht so gut.« Frankie verzog das Gesicht. »Ich glaube, sie ignoriert mich. Du bist wahrscheinlich die Einzige, die mit Pferden sprechen kann.«
»Wenigstens gewöhnt sie sich schon mal an deine Stimme. Hast du Hunger?«
Frankie nickte und stand auf. Sie legte den Kopf schief und sagte: »Du siehst … froh aus.«
Grace nickte. »Charlie hat ein bisschen besser mitgemacht als Hope. Ich hatte zwar das Gefühl, als müsste ich durch einen Sumpf waten, aber immerhin bin ich ein paar Schritte weitergekommen.« Sie tätschelte Frankies Schulter. »Und mehr können wir im Moment nicht erwarten. Wir haben ja erst gestern mit den beiden Kontakt aufgenommen. Wir stehen noch ganz am Anfang.«
»Was glaubst du, wie lange –« Frankie seufzte. »Schon gut, das kannst du nicht wissen. Ich bin einfach froh, wenn es vorbei ist.«
»Ich habe keine Ahnung, wie lange es dauern wird.« Aber sie würde alles daransetzen, den Prozess zu beschleunigen. »Falls du Angst hast, ich könnte dich zwingen, auf Hope zu reiten, mach dir keine Sorgen, das wird nicht passieren. Wenn ich bei Charlie gute Ergebnisse erziele, muss Marvot sich damit zufriedengeben.«
»Und wenn er das nicht tut?«
Sie hätte sich denken können, dass Frankie mit einer
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