Gnadenlose Jagd
erschrak. »Hast du jemanden vor dem Zelt postiert, der Wache hält? Wirst du – Was für eine Frage …«
Er lächelte. »Was für eine Frage.«
Dann war er weg.
Ihre Nägel gruben sich in ihre Handflächen, während sie auf die Geräusche vor dem Zelt lauschte. Am liebsten wäre sie nach draußen gelaufen, um zu sehen, was dort vor sich ging. Aber ihr blieb nichts anderes übrig, als abzuwarten und zu hoffen, dass Kilmer nicht entdeckt wurde.
Ein Schuss!
O Gott.
Lachen. Glöckchengebimmel. Marvots Stimme.
Aber er schrie nicht, er wirkte nur gereizt.
Noch ein Schuss.
Grace stürzte zum Zelteingang und schlug die Plane zurück.
Der Mann, der Grace eben ins Zelt bugsiert hatte, zog Frankie hinter sich her, die sich mit Händen und Füßen wehrte.
»Mom, sag’s ihm! Ich muss zu dem Fohlen. Die Ballerei macht ihm Angst.«
Grace fragte den Mann: »Was hat die Schießerei zu bedeuten?«
Er zuckte die Achseln. »Die versuchen, uns ihre Waffen zu verkaufen. Ziemlicher Schrott. Manche von den Knarren stammen noch aus dem Krieg zwischen dem Iran und dem Irak. Aber die werden bald abziehen. Wir haben ihnen nur erlaubt, hier Rast zu machen, weil wir uns für die Waffen interessieren.« Er schubste Frankie unsanft in ihre Richtung. »Die Kleine ist ganz schön aufmüpfig. Wenn sie meine Tochter wäre, würde ich ihr eine gehörige Tracht Prügel verpassen.«
»Das glaub ich Ihnen aufs Wort.« Sie zog Frankie ins Zelt. »Sagen Sie uns Bescheid, wenn die Beduinen weg sind und wir wieder zu den Pferden können.« Sie ließ die Plane fallen und hob eine Hand, als Frankie protestieren wollte. »Sei still. Du brauchst das Fohlen nicht von morgens bis abends zu verwöhnen. Wir müssen uns im Moment möglichst unauffällig verhalten.«
»Aber warum denn? Das Fohlen –« Frankie unterbrach sich und schnüffelte. »Es riecht hier so komisch.«
»Ja. Und du musst dafür sorgen, dass der Geruch verschwindet, sobald wir das Zelt wieder öffnen dürfen. Benutz alles, was du findest, um ihn rauszufächeln.«
»Aber was –« Ihre Augen weiteten sich. »Ist Jake etwa hier gewesen?«
Noch ein Schuss.
Verdammt, warum führten Männer sich wie Kinder auf, sobald sie eine Waffe in die Finger bekamen?
»Ja, Jake war hier.« Grace umschlang sich mit den Armen, um ihr Zittern in den Griff zu bekommen. »Aber noch kann er uns nicht helfen. Wir müssen warten.«
»Wie lange denn?«
»Das kann ich dir nicht sagen. Nicht dass ich kein Vertrauen zu dir hätte, aber ich möchte, dass du ganz spontan und unbefangen reagierst, egal was passiert. Verstehst du das?«
Frankie nickte ernst. »Ich glaub schon. Was soll ich tun?«
»Kümmere dich um Hope und das Fohlen.« Sie schürzte die Lippen. »Und womöglich wirst du dich auch um Charlie kümmern müssen.«
»Aber warum denn? Ich hab dir doch gesagt, dass er mich nicht mag.«
»Ich will nicht, dass ihm etwas zustößt, und ich kann mich nicht darauf verlassen, dass die Wachmänner auf Charlie aufpassen.«
»Aber du wirst doch auch hier sein, oder?«
»Ich werde eine Weile ziemlich krank sein und dir nicht helfen können.«
»Du meinst, du willst so tun, als ob du krank wärst, nicht wahr?«
Grace schüttelte den Kopf. »Nein.« Sie kniete sich vor Frankie und nahm ihre Hände. »Ich werde mich krank machen, Kleines. Aber es wird nur einen Tag dauern, dann wird es mir wieder gut gehen.«
»Warum denn?« Sie umklammerte Grace’ Hände. »Ich will nicht, dass du krank wirst. Was ist, wenn du nicht wieder gesund wirst?«
»Ich werde wieder gesund.«
»Und woher willst du das wissen?«
»Weil Jake mir das Mittel gegeben hat, das mich krank machen wird, und ich vertraue ihm. Du musst ihm auch vertrauen.«
Frankie schüttelte den Kopf. »Nein, nicht wenn er dich krank macht.«
»Er würde mir nie etwas zuleide tun, Frankie. Genauso wenig wie ich dir jemals etwas zuleide tun würde.« Frankie verstand überhaupt nichts mehr, sie war völlig durcheinander. Wer konnte es ihr verdenken? Nichts konnte ein Kind so sehr in Angst und Schrecken versetzen wie die Vorstellung, die Mutter oder den Vater zu verlieren. »Er mag uns, Frankie.« Verdammt, sie musste es ihr sagen. »Weißt du, warum wir ihm vertrauen können?«
»Weil er ein anständiger Kerl ist?«
Grace holte tief Luft. »Er ist dein Vater, Frankie.«
»Was?«
Grace erschrak über Frankies entgeisterten Gesichtsausdruck. War es ein Fehler gewesen? Hätte sie noch warten sollen? Oder war es überhaupt richtig, es ihr zu
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