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Gnadenlose Jagd

Gnadenlose Jagd

Titel: Gnadenlose Jagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Johansen
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Er sprang aus dem Wagen und rannte hinunter zum Flussufer. »Ich glaub, ich hab da unten im Wasser einen Pick-up gesehen. Tu, was ich sage, und lass Frankie nicht allein.«
    Aber Frankie war bereits ausgestiegen.
    Grace erwischte sie, ehe sie hinter Kilmer her den Abhang hinunterlaufen konnte. »Nein, Frankie. Wir müssen hierbleiben.«
    »Charlie fährt einen Pick-up.« Frankie versuchte, sich loszureißen. »Vielleicht ist es seiner. Wir müssen ihm helfen. Der Wagen liegt im Wasser.«
    »Kilmer wird uns sagen, ob wir helfen können.« Verzweifelt folgte sie Frankies Blick. Das Wasser reichte bis an die Fenster der Fahrerkabine, viel mehr konnte sie bei dem Regen nicht erkennen. Vielleicht war es ja nicht Charlies Pick-up.
    Verdammt, wer sonst sollte über diese Straße gefahren sein? Am liebsten wäre sie selbst hinuntergelaufen, aber sie konnte auf keinen Fall riskieren, dass Frankie ihr folgte, falls es wirklich Charlies Pick-up war. Sie legte ihrer Tochter einen Arm um die Schultern. »Es ist besser, wenn wir hierbleiben. Falls Charlie da drinsitzt, wird Kilmer ihn rausholen.«
    »Kilmer ist ein Fremder. Du magst ihn nicht mal, das merke ich ganz genau.«
    »Aber in Notsituationen weiß er zu helfen. Wenn ich in dem Pick-up säße, wäre ich froh, wenn Kilmer käme, um mich zu retten.«
    »Ist das wirklich wahr?«
    »Ja, das ist wahr. Lass uns ein bisschen näher rangehen, um zu sehen, ob wir irgendwas –«
    Kilmer kam den Abhang hoch, einen Mann im Arm, den er beim Gehen stützte.
    Grace erstarrte. Doch dann schöpfte sie Hoffnung. Charlie?
    »Charlie!« Frankie rannte auf die beiden Männer zu. »Ich hatte solche Angst. Was –«
    »Ganz ruhig, Frankie.« Es war nicht Charlie, sondern Robert. Er war bis auf die Haut durchnässt und zog sein linkes Bein nach. »Vorsicht, sonst rutschst du noch im Schlamm aus.«
    Frankie blieb schlitternd stehen. »Robert? Ich dachte, es wäre –«
    »Nein.« Robert schaute Grace an. »Es tut mir leid. Ich hab ihn aus der Fahrerkabine gezogen, aber als ich ihn ans Ufer geschafft hatte, hab ich gesehen, dass es –« Er zuckte hilflos die Schultern. »Es tut mir leid, Grace.«
    »Nein!« Sie rannte an ihm vorbei zum Fluss.
    Nicht Charlie.
    Er musste sich irren.
    Nicht Charlie.
    Er lag am Ufer. So reglos.
    Zu reglos.
    Grace fiel neben ihm auf die Knie.
    Nicht aufgeben. Ertrunkene konnte man manchmal wiederbeleben.
    Sie fühlte nach seinem Puls.
    Nichts.
    Sie beugte sich über ihn und versuchte es mit Mund-zu-Mund-Beatmung.
    »Es hat keinen Zweck, Grace.« Kilmer stand neben ihr. »Er ist tot.«
    »Halt die Klappe. Ertrunkene kann man –«
    »Er ist nicht ertrunken. Sieh genauer hin.«
    Wie sollte sie genauer hinsehen, wenn die Tränen ihr den Blick verschleierten? »Er … war im … Wasser.«
    »Sieh hin.«
    Sie wischte sich die Augen mit dem Handrücken. Dann sah sie das Loch in Charlies Schläfe.
    Sie krümmte sich vor Schmerz und Trauer. »Nein. Das kann nicht sein. Nicht Charlie. Das ist nicht fair. Er war so ein –«
    »Schsch.« Kilmer kniete sich neben sie. »Ich weiß.« Er nahm sie in die Arme. »Gott, ich wünschte –«
    »Lass mich.« Sie riss sich von ihm los. »Du weißt überhaupt nichts. Du bist ihm doch nie begegnet.«
    »Ich weiß, was du empfindest, verdammt.« Er stand auf. »Aber das wirst du mir jetzt nicht glauben.« Er schaute sie an. »Ich lasse dich ein paar Minuten mit ihm allein, aber dann kommst du zurück ins Auto. Frankie ist völlig durcheinander. Blockman ist jetzt bei ihr, aber sie braucht dich.«
    Ohne auf eine Antwort zu warten, kletterte er die Böschung hoch zur Straße.
    Ja, Frankie brauchte sie. Frankie hatte Charlie geliebt. Frankie würde den Tod eines geliebten Menschen nicht begreifen.
    Aber auch Grace konnte es nicht begreifen. Nicht Charlie …
    Zärtlich schob sie Charlie die nassen Haare aus der Stirn. Er hatte sich immer so sorgfältig frisiert. Sie hatte ihn so oft damit aufgezogen Erneut kamen ihr die Tränen. Sie musste sich zusammenreißen. Frankie brauchte sie.
    O Gott, Charlie …

3
    ALS GRACE DIE WAGENTÜR öffnete, riss Frankie sich von Robert los und warf sich in ihre Arme. Tränen liefen ihr über die Wangen. »Die wollten mich nicht gehen lassen. Sag ihnen, dass ich Charlie sehen muss.«
    »Nein, mein Schatz.« Grace drückte sie an sich und vergrub das Gesicht in ihren Haaren. »Du kannst Charlie jetzt nicht sehen.« Und du wirst ihn nie wieder sehen. Aber wie sollte sie ihr das erklären?
    »Du weinst ja.«

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