Gnadenlose Jagd
Jahren geändert hat«, entgegnete Robert ungehalten. »Im Gegensatz zu dir hat er mir vertraut. Möchtest du seinen Anwalt anrufen?«
Robert war gekränkt, und zum ersten Mal erinnerte sich Grace, dass Charlie auch Roberts Freund gewesen war. Sie schüttelte den Kopf. »Nein, es tut mir leid. Aber du arbeitest für die Firma, und die ist bekannt dafür, dass sie gern alles so arrangiert, wie es ihr in den Kram passt.«
»Diesmal nicht. Jedenfalls hat Charlie mich gebeten, dafür zu sorgen, dass seinen Wünschen entsprochen wird, und es dir und Frankie möglichst leicht zu machen.«
»Das kannst du nicht.« Erneut kamen ihr die Tränen. »Die haben ihn umgebracht, Robert. Er hatte doch mit alldem überhaupt nichts zu tun. Er war ihnen im Weg, nur deswegen haben sie ihn umgebracht. Das ist doch kein Grund, dass ein Mensch sterben muss.«
»Nein, ist es nicht.« Er schwieg einen Moment. »Was hast du jetzt vor, Grace?«
»Ich weiß nicht. Es ist noch zu früh. Ich bin auf alle möglichen Situationen vorbereitet, aber ich war nicht darauf gefasst, dass das mit Charlie passieren würde. Oder vielleicht hab ich die Möglichkeit auch nur verdrängt, weil ich den Gedanken nicht ertragen konnte, womöglich für seinen Tod verantwortlich zu sein.«
»Das bist du nicht.«
»Doch, verdammt.«
»Weil ihm die Farm gehört, auf der du gearbeitet hast? Du konntest ja wohl schlecht in einem Vakuum leben. Mit irgendjemandem musstest du wohl oder übel in Berührung kommen. Und in diesem Fall bist du in Charlies Leben getreten und hast es mehr bereichert, als du ahnst. Die letzten Jahre waren wahrscheinlich die besten in seinem ganzen Leben.«
Sie schüttelte den Kopf.
»Grace. Ich weiß, wovon ich rede.« Er seufzte. »Er hat Frankie die Farm vererbt und dich als Treuhänderin eingesetzt.«
Sie erstarrte. »Wie bitte?«
»Er hat die Kleine geliebt. Und dich auch. Er hatte keine nahen Verwandten, aber ihr beide wart für ihn wie eine Familie.«
»Ach, Scheiße.« Die Tränen liefen ihr über die Wangen. »Wir haben ihn auch geliebt, Robert. Was zum Teufel sollen wir bloß ohne ihn machen?«
»Das, was du Frankie jedes Mal nach einem Sturz sagst. Aufstehen und wieder aufs Pferd steigen.« Er rang sich ein Lächeln ab. »Und wenn du erst mal wieder du selbst bist, wirst du es mir übel nehmen, dass ich dir etwas sage, was du ohnehin weißt.«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich bin ganz durcheinander. Ich bin dankbar für jede Hilfe, die ich kriegen kann.«
»Kann ich noch irgendwas für dich tun?«
Sie überlegte. »Besorg mir für morgen früh einen Mietwagen. Ich hab mein Auto auf der Farm gelassen.«
»Ich fahre dich, wohin du willst.«
»Besorg mir einfach ein Auto.« Sie lächelte freudlos. »Keine Sorge. Ich werde dir noch nicht weglaufen. Kilmer hat gesagt, wir hätten noch ein paar Tage Zeit.«
»Gut.« Er ließ einen Augenblick verstreichen. »Denn als ich mit Washington telefoniert hab, hat Les North mir gesagt, er kommt mit seinem Vorgesetzten Bill Crane her, um sich mit dir zu unterhalten.« Er warf einen Blick auf seine Uhr. »Es ist zwanzig vor vier. Die beiden müssten gegen Mittag hier sein.«
»Nein.«
»Das kannst du ihm sagen. Auf mich hört da keiner. Ich stehe ganz unten in der Hierarchie.«
»Er soll sich mit Kilmer unterhalten.«
»Ich bin davon überzeugt, dass er das mit Vergnügen tun würde. North hat richtig aufgehorcht, als ich Kilmers Namen erwähnt habe. Würdest du mir vielleicht erklären, was er mit der ganzen Sache zu tun hat? Ich bin es allmählich leid, den Leibwächter zu spielen, ohne zu wissen, wovor ich dich überhaupt beschützen soll. Diese Nur-was-man-wissen-muss-Regel ist Schwachsinn.«
Sie rieb sich die Schläfen. »Nicht jetzt.«
»Aber du fühlst dich nicht von Kilmer bedroht?«
Doch, sie fühlte sich bedroht. In dem Augenblick, als sie ihn erkannt hatte, waren in ihr sämtliche Warnlichter angegangen. »Nein, ich habe keine Angst vor ihm.« Das war zwar keine korrekte Antwort auf Roberts Frage, aber mehr wollte sie nicht preisgeben. »Wo ist er?«
Robert zuckte die Achseln. »Wahrscheinlich weggefahren, nachdem er uns hier abgesetzt hat. – Als ich North erzählt habe, dass Kilmer diese drei Mistkerle auf der Farm erledigt hat, meinte er, das würde ihn nicht wundern. Ist Kilmer wirklich so gut, Grace?«
»Ja.« Ganz vorsichtig öffnete sie die Tür zu ihrem Zimmer. »Er ist sehr, sehr gut. Gute Nacht, Robert.«
Grace betrachtete ihre Tochter. Sie schlief
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