Gnadenlose Jagd
Entschlossenheit.
»Sehr gut, Frankie.«
Frankie hob die Schultern. »Darling ist gesprungen, nicht ich. Ich bin nur ein bisschen geritten.«
»Es war ein sehr guter Ritt.«
Frankie lenkte Darling in Richtung Stall. »Wer von den Baker-Leuten wird Darling reiten, wenn wir weg sind?«
»Wer wäre dir denn am liebsten?«
»Die junge Frau aus Wien ist ziemlich gut. Ich glaub, sie heißt Maria. Ich hab sie in Compton reiten sehen, und sie war sehr nett zu den Pferden.«
»Dann werde ich dafür sorgen, dass Maria sich um Darling kümmert.« Sanft fügte sie hinzu: »Aber es ist nur vorübergehend, Frankie. Wir kommen zurück.«
»Ja.« Sie schaute in die Ferne. »Aber es wird nicht dasselbe sein, nicht wahr? Charlie wird nicht mehr da sein. Und ich weiß nicht, ob ich jemals wieder – Ich weiß nicht, ob ich mich daran gewöhnen kann. Ich werde immer … diese Männer sehen.«
Grace spürte, wie sie die Wut packte. Verdammt, für Frankie war so viel zerstört worden in der vergangenen Nacht. Grace hatte alles darangesetzt, ihrer Tochter eine sorglose Kindheit zu ermöglichen, und jetzt war das alles zunichtegemacht. »Du musst sie einfach vergessen und an Charlie denken. Das hätte Charlie sich gewünscht. Betrachte es als dein Geschenk an ihn.«
Frankie schüttelte unsicher den Kopf. »Ich werd’s versuchen, Mom.« Sie stieg ab und führte Darling zum Stall. »Ich verabschiede mich kurz von Darling, dann können wir los.« Am Eingang zum Stall drehte sie sich noch mal um. »Es könnte wieder passieren, nicht wahr? Deswegen willst du, dass wir von hier verschwinden.«
Was sollte sie ihr sagen?
Die Wahrheit. Sie würde Frankie nicht belügen. Sie war ihrer Tochter gegenüber immer ehrlich gewesen, und sie würde ihr Vertrauen nicht missbrauchen. »Ja, es könnte wieder passieren.«
Frankie schaute sie an. »Warum?«
Grace hatte damit gerechnet, dass die Frage irgendwann kommen würde. Sie war beinahe erleichtert. »Vor langer Zeit habe ich einmal für eine staatliche Behörde gearbeitet, und bei einem Auftrag habe ich einen mächtigen Verbrecher sehr wütend auf mich gemacht. Ich habe etwas getan, was er mir übel genommen hat, und ich musste mich verstecken, damit er mich nicht umbringt.«
»Das ist ja wie in einem Krimi im Fernsehen«, sagte Frankie.
»In denen für Kinder, die du dir eigentlich nur ansehen solltest, kommt so was nicht vor.« Grace versuchte zu lächeln. »Ich hab Charlie immer gesagt, er soll dich keine Actionfilme sehen lassen.«
»Kann die Polizei oder sonst jemand den Mann nicht daran hindern, dass er dir was tut?«
»Sie versuchen es ja. Aber es gibt Probleme. Der Mann ist sehr mächtig.«
»Das versteh ich nicht.«
Wie sollte sie auch?, dachte Grace. Bestechung und Korruption lagen außerhalb ihrer Vorstellungswelt. »Manchmal verstehe ich es auch nicht. Trotzdem müssen wir von hier verschwinden und uns in Sicherheit bringen.«
»Aber du hast doch nichts Böses getan.« Frankie runzelte die Stirn. »Können wir uns nicht gegen diese Leute zur Wehr setzen?«
Drei Millionen Dollar Kopfgeld auf Frankie.
»Nein, das können wir nicht. Aber ich werde mich bemühen, eine Lösung zu finden, die es uns erspart, noch einmal die Flucht zu ergreifen.« Sie schüttelte den Kopf. »Es tut mir leid, dass das passiert ist, Frankie. Ich wünschte, ich hätte es verhindern können.«
Frankie schaute sie an. »Charlie hätte gewollt, dass du kämpfst. Er ist Soldat im Zweiten Weltkrieg gewesen, und er hat mir mal gesagt, wenn sie die Nazis damals nicht besiegt hätten, dann hätten die ganz Amerika überrannt. Sogar Alabama …«
Grace schaute ihr nach, als sie mit Darling im Stall verschwand. Frankie hatte es einigermaßen verkraftet, mehr konnte man nicht von ihr erwarten. Wahrscheinlich war das alles für sie nur halb real, wie die Bemerkung über die Filme im Fernsehen bewies. Aber Charlies Tod war harte Realität und der Schrecken der vergangenen Nacht ebenfalls. Mit der Zeit würde sie auch akzeptieren, dass die Geschichte, die Grace ihr erzählt hatte, Realität war. Sie stieg vom Pferd und ging zum Stall.
»Grace.« Robert kam auf sie zu. »Ich kümmere mich um dein Pferd. North und Crane sind da. Sie warten im Wagen vor der Koppel. Sie wollen mit dir reden.«
»Ich will aber nicht mit ihnen –« Sie unterbrach sich. Es blieb ihr nichts anderes übrig, sie musste mit ihnen reden. Sie brauchte Hilfe bei der Suche nach einem Ort, wo sie sich und Frankie in Sicherheit bringen
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