Gnadenlose Jagd
belügen. Ich habe eine Narbe am linken Oberschenkel, als Andenken an jene Nacht. Möchtest du sie sehen?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Du glaubst mir also?«
»Ich weiß nicht. O Gott, ich will dir nicht glauben, Donavan.«
Er nickte. »Also glaubst du mir. Ich war immer davon überzeugt, dass du tief im Innern wusstest, dass Stiller uns verraten hat. Aber du konntest es dir einfach nicht eingestehen. Von nun an musst du es akzeptieren und dich damit abfinden.« Er schloss die Augen. »Und jetzt muss ich mich ausruhen und dieses Blutgerinnsel abwehren, damit ich es wieder einsetzen kann, wenn ich noch mal jemanden erpressen muss. Glaubst du, es könnte gut gehen mit dir und Kilmer?«
»Nein.«
»Man kann nie wissen. Er ist gar nicht so hartgesotten, wie man meinen könnte …« Er öffnete die Augen. »Es ist die Wahrheit, Grace, Gott ist mein Zeuge. Und jetzt sag mir, dass du mir glaubst.«
»Ich kann nicht«, flüsterte sie.
»Sag’s mir.«
»Nein.« Ihre Augen brannten. »Es tut so weh.«
»Sag’s mir.«
»Also gut, verdammt, ich glaube dir.« Tränen liefen ihr über die Wangen. »Zufrieden?«
»Ja.« Er schloss die Augen wieder. »Geh jetzt. Weinende Frauen bereiten einem Mann nur ein schlechtes Gewissen. Ich möchte deine Tochter kennenlernen, Grace. Wirst du ihr erlauben, mich am Krankenbett zu besuchen?«
Wortlos ging sie zur Tür.
»Ich würde deiner Tochter ein guter Freund sein. Lass sie nicht unter deiner Verbitterung leiden.«
»Das würde ich nie tun.« Sie öffnete die Tür. »Ich komme dich heute Abend mit ihr besuchen.« Sie lehnte ihren Kopf an den Türrahmen. »Und ich bin nicht … verbittert. Du hast getan, was du für richtig gehalten hast. Ich bin nur verwirrt und verletzt. Und ich weiß, dass Frankie Freunde braucht.«
»Kilmer könnte ihr auch ein guter Freund sein.«
»Es reicht, Donavan.«
»Ich dachte nur, ich schmiede das Eisen, solange es heiß ist.«
»So heiß, dass ich das Gefühl habe, bei lebendigem Leib zu verbrennen.« Sie schloss die Tür und blieb einen Moment stehen, um ihre Fassung wiederzugewinnen. Dann wischte sie sich die Augen und holte tief Luft. In diesem Zustand konnte sie unmöglich nach unten gehen und mit Frankie frühstücken. Sie war hergekommen, um Donavan Beistand zu leisten, nicht, um sich von ihm den Boden unter den Füßen wegreißen zu lassen.
Gott, tat das weh. Hatte Donavan recht? Hatte sie den Verrat ihres Vaters insgeheim geahnt und sich nur nicht eingestehen wollen? Weil sie die Gewissheit nicht hatte aufgeben wollen, dass es wenigstens einen Menschen auf der Welt gab, der sie liebte und dem sie vertrauen konnte? War sie so schwach?
Die Wahrheit.
Sie musste nachdenken. Sich damit abfinden, so wie Donavan es ihr geraten hatte.
Sie würde nach unten gehen und frühstücken und sich Frankie gegenüber nichts anmerken lassen. Dann, sobald sich eine Möglichkeit bot, würde sie allein einen Spaziergang machen und versuchen, einen klaren Kopf zu bekommen, was ihr im Augenblick unmöglich erschien. Sie zitterte, und sie musste ihre verdammten Tränen unterdrücken.
Sie ging die Treppe hinunter und setzte ein tapferes Lächeln auf.
Lass bloß Frankie nichts merken …
Frankie saß auf dem Koppelzaun, den Blick auf die Berge gerichtet, als wartete sie auf etwas.
Kilmer beobachtete sie ein paar Minuten lang von der Veranda aus, dann ging er zu ihr hinüber. »Was machst du hier?«
»Nichts.«
»Darf ich dir Gesellschaft leisten?« Er stieg auf den Zaun und setzte sich neben sie. »Es ist schon lange her, dass ich mal gar nichts gemacht hab, und ich wollte mal sehen, ob ich was verpasst habe.«
Sie lächelte. »Es ist ziemlich langweilig.«
»Dachte ich mir. Und warum machst du es dann?«
Sie antwortete nicht gleich. »Mom ist schon lange weg. Ich wollte hier sein, wenn sie zurückkommt.«
Er zuckte zusammen. »Wie lange ist sie denn schon weg?«
»Ein paar Stunden. Sie ist mit Samson ausgeritten und noch nicht zurückgekommen.«
»Hast du sie wegreiten sehen?«
Frankie nickte. »Sie hat sich so … komisch benommen, und das hat mich beunruhigt.«
»Komisch?«
Sie zuckte die Achseln. »Ja, irgendwie schon.« Sie runzelte die Stirn. »So wie sie sich benimmt, wenn sie Kopfschmerzen hat oder erkältet ist und nicht will, dass ich mir Sorgen um sie mache.«
»Du meinst, wenn sie sich nicht wohlfühlt?«
»Ich weiß nicht. Es hat mich einfach beunruhigt.«
»Wahrscheinlich ist alles in Ordnung.« Er überlegte.
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