Gnadenlose Jagd
gern.« Der Arzt ging zur Tür. »Und wenn ich mich dazu durchringen kann, ihm zu verzeihen, bringe ich ihm auch etwas zum Frühstücken mit, wenn ich zurückkomme.«
Donavan lächelte, als der Arzt die Tür hinter sich zuzog. »Er ist ein netter Kerl. Und stur wie ein Esel.«
»Dann hör auf, ihm das Leben schwer zu machen. Und du weißt genau, dass du noch nicht aufstehen darfst, um aufs Klo zu gehen. Das dauert noch ein paar Tage.«
»Aber ein Mann muss doch wenigstens seine Würde verteidigen dürfen.«
»Ein Mann muss vernünftig sein und soll keinen Ärger machen.« Sie betrachtete sein Gesicht. »Du bist schon weniger blass. Letzte Nacht hab ich mir große Sorgen um dich gemacht, aber ich stelle fest, dass du so gehässig wie immer bist.«
»Aber klar. Ich hab nur schamlos dein Mitgefühl ausgenutzt, als sie mich aus dem Hubschrauber getragen haben. Eine Frage der Würde. Kilmer kommt hier an wie der strahlende Held, und ich werde wie ein schwaches Kätzchen ins Haus getragen. Da musste ich mich einfach ein bisschen ins Zeug legen.«
Sie hob die Brauen. »Das war alles gespielt?«
»Na ja, vielleicht war ich ein bisschen mitgenommen. Der Flug war der reinste Höllentrip.« Er schaute sie an. »Du wirkst älter, Grace.«
»Vielen Dank.«
»Nein, es steht dir gut. Du bist schon immer eine interessante Frau gewesen, aber dein Ausdruck hat an … Tiefe gewonnen. Ich könnte dich die ganze Zeit ansehen, um zu ergründen, was sich unter der Oberfläche verbirgt.«
»Da verbirgt sich nichts. Ich bin so unkompliziert wie immer.«
Donavan schüttelte den Kopf. »Von wegen unkompliziert. Seit dem Augenblick, als du vor fast neun Jahren aus dem Flugzeug gestiegen bist, warst du der wandelnde Widerspruch. Du warst eine Patriotin, aber du hattest viel zu viel erlebt, um irgendeiner Regierung wirklich zu vertrauen. Du warst todesmutig, aber zu misstrauisch, um dich zu binden. Du hast Freunde gesucht, dich aber nicht getraut, eine persönliche Beziehung zu jemandem einzugehen, aus Angst, er könnte dich wieder verlassen.«
»Lieber Himmel, Donavan, seit wann bist du denn unter die Psychologen gegangen?«
»Das ist nur eins meiner weniger hervorstechenden Talente.« Er lächelte. »Aber ich setze es nur bei Menschen ein, die ich mag, und ich gebe meine Meinung nur zum Besten, wenn man mich darum bittet.«
»Ich habe dich nicht darum gebeten.«
»Und wenn ich mich in was einmischen will, was mich nichts angeht.«
Sie zuckte zusammen. »Wovon redest du?«
»Ich dachte, ich würde in diesem Fluss sterben.«
»Und?«
»Kilmer hat mir das Leben gerettet. Und das war nicht das erste Mal. Und da er kein Typ ist, der es zulässt, dass man sich dankbar erweist, habe ich beschlossen, die Sache eigenmächtig in die Hand zu nehmen.«
»Welche Sache?«
»Du bedeutest ihm viel, Grace. Ich weiß nicht, wie viel, er redet nicht darüber, aber ich weiß, dass er damals verrückt nach dir war.«
»Sex.«
»Ja, ich weiß, dass das eine große Rolle spielte, aber es war mehr.«
Sie schüttelte den Kopf.
»Du siehst die Dinge immer so, wie du sie sehen willst.«
»Du bist müde. Ich werde dich jetzt allein lassen, damit du dich ein bisschen ausruhen kannst.« Sie stand auf.
»Wag es nicht, wegzugehen.« Er hustete. »Ich krieg noch einen Rückfall, wenn du mich ärgerst.«
»Du bist noch gar nicht gesund genug, um einen Rückfall zu kriegen.«
»Dann sei jetzt still, damit ich diesen glücklichen Zustand erreichen kann. Ich bin dabei, tiefgründige Erkenntnisse preiszugeben, und ich brauche jemanden, der mir zuhört.«
Langsam setzte sie sich wieder. »Du nutzt deine verdammte Verletzung zu deinem Vorteil aus.«
Er nickte. »Warum nicht? Wenn ich schon solche Schmerzen ertragen muss, soll wenigstens was Positives dabei rausspringen.«
»Wir reden später.«
»Und was ist, wenn ich eine Thrombose kriege und sterbe? So was kommt vor. Nein, wir reden jetzt. Die Gelegenheit ist goldrichtig, denn in meinem erbarmungswürdigen Zustand kann ich mich darauf verlassen, dass du mich nicht schlägst. Und bis ich wieder bei Kräften bin, wirst du darüber hinweggekommen sein.«
»Worüber?«
»Über den Unmut, den es auslösen wird, wenn ich dir sage, dass du dich Kilmer gegenüber wie ein engstirniges Miststück aufführst.«
Sie schwieg einen Moment. »Das muss ich mir von dir nicht anhören, Donavan.«
»Doch, musst du.« Er hustete wieder. »Siehst du, du ärgerst mich. Ich spüre schon, wie sich ein Blutgerinnsel
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