Gnadenlose Jagd
»Möchtest du, dass ich sie suche?«
»Das würde ihr nicht gefallen. Sie will nicht, dass ich mir Sorgen um sie mache. Deswegen bin ich ihr auch nicht auf Gypsy nachgeritten.«
»Aber ich muss mir keine Gedanken darüber machen, was sie über mich denkt. Meistens ist sie sowieso aus irgendeinem Grund sauer auf mich. Ich werde mir also Gypsy von dir ausleihen und ihr nachreiten, einverstanden?«
Sie nickte erleichtert. »Ich glaub ja nicht, dass sie verletzt ist oder so was. Ich hab noch nie erlebt, dass ein Pferd sie abgeworfen hat, und Samson mag sie inzwischen. Aber sie war einfach so –«
»Komisch.« Kilmer sprang vom Zaun. »Und du wirst dich besser fühlen, wenn sie wieder da ist.« Er ging zum Stall. »In welche Richtung ist sie geritten?«
Frankie zeigte nach Westen. »In die Hügel.«
»Die Hügel werden von meinen Männern überwacht, Frankie. Wenn ihr etwas zugestoßen wäre, hätten wir davon gehört. Aber ich werde trotzdem mal nachsehen.«
»Und du wirst ihr nichts davon sagen, dass ich mir Sorgen mache?«
»Das kann ich dir nicht versprechen. Manchmal tut es gut, zu wissen, dass jemand einen so sehr liebt, dass er sich Sorgen macht. Deine Mutter fühlt sich wahrscheinlich ziemlich allein, seit euer Freund Charlie tot ist. Vielleicht war sie deswegen heute Morgen ein bisschen unglücklich.« Er lächelte. »Wir werden sie fragen und dafür sorgen, dass es ihr wieder besser geht. Das ist das Beste, was man tun kann, auf jeden Fall besser, als einfach so zu tun, als wäre nichts. Du könntest doch ins Haus gehen und an deiner Musik arbeiten, bis ich wieder zurück bin, was hältst du davon? Es wird ihr bestimmt besser gefallen, deine Musik zu hören, wenn sie kommt, als dich hier auf dem Zaun hocken zu sehen.«
Frankie nickte und kletterte vom Zaun. »Ich versuch’s. Aber es fällt mir schwer, mich zu konzentrieren, wenn mit Mom was nicht stimmt.«
»Ich kümmere mich um deine Mutter, Frankie.«
Sie musterte sein Gesicht, dann nickte sie langsam. »Okay«, sagte sie lächelnd. »Ich glaube dir.« Sie lief zum Haus. Auf halbem Weg drehte sie sich noch einmal um und rief: »Gypsy mag keine Zäune, sie scheut, wenn sie ihnen zu nahe kommt. Sei vorsichtig.«
Kilmer schaute ihr nach, als sie ins Haus ging.
Ich glaube dir.
Sei vorsichtig.
Gott, er kam sich vor wie ein mittelalterlicher Krieger, der gerade von seiner Königin zum Ritter geschlagen worden war, stolz und hoffnungsvoll und entschlossen, loszuziehen und gegen Drachen zu kämpfen.
Ging es anderen Vätern auch so mit ihren Kindern? Wahrscheinlich. Aber für ihn war es eine ganz neue Erfahrung, und sie erinnerte ihn an eine Zeit, als er noch nicht so ein zynischer Mistkerl gewesen war. Wie lange war das her? Wahrscheinlich war er da noch jünger gewesen, als seine Tochter es jetzt war.
Einem achtjährigen Kind schien noch alles möglich.
Und wenn man ein Kind wie Frankie hatte, setzte man alles daran, dass selbst das Unmögliche möglich wurde.
»Meinst du nicht, du solltest langsam zurückreiten?«
Grace stand an einem Bachufer, wo sie Samson hatte trinken lassen. Als sie aufblickte, sah sie Kilmer auf Gypsy an der Uferböschung stehen. Er war der Letzte, den sie im Moment sehen wollte, dachte sie frustriert. Sie war immer noch völlig durcheinander, fuhr immer noch auf der emotionalen Achterbahn, auf die Donavan sie gesetzt hatte. »Gibt es einen bestimmten Grund dafür, dass ich zurückreiten soll? Befinde ich mich auf gefährlichem Terrain?«
»Nein, hier bist du in Sicherheit.« Er stieg ab und führte Gypsy zum Bach. »Aber Frankie macht sich Sorgen. Sie glaubt, dass mit dir irgendwas nicht in Ordnung ist.«
»Ach, verdammt.«
Er musterte ihr Gesicht. »Und? Hat sie recht?«
Sie beantwortete seine Frage nicht. »Ich reite zurück.«
»Hat sie recht?«
»Es ist nichts, was Frankie in Mitleidenschaft ziehen wird.«
»Alles, was du tust, zieht Frankie in Mitleidenschaft. Ich habe ihr versprochen, dafür zu sorgen, dass es dir wieder besser geht. Wie kann ich das schaffen?«
»Du solltest keine Versprechen geben, die du nicht halten kannst.«
»Dieses werde ich halten.« Er lächelte wehmütig. »Mir bleibt nichts anderes übrig. Ich habe noch nie einem Kind etwas versprochen, und ich betrachte es als große Verantwortung. Du kennst das ja längst, aber ich lerne es gerade erst. Also sag mir, was ich tun kann, damit es dir besser geht.«
»Überlass das mir.«
Sein Lächeln verschwand. »Ich habe dir schon viel
Weitere Kostenlose Bücher