Gnadenlose Jagd
schaute sie ernst an. »Es wundert mich allerdings, dass du ihr erlaubst, mit mir Umgang zu pflegen.«
Sie war bereits auf der Treppe und drehte sich zu ihm um. »Ihr müsst ja ziemlich was mitgemacht haben in Marokko. Frankie hat recht, du siehst aus, als könntest du was gebrauchen. Vielleicht ist Kakao nicht unbedingt das Richtige, aber Frankie ist eine gute Heilerin. Wenn es mir schlecht geht, reicht allein ihre Gegenwart aus, damit ich mich wieder besser fühle.«
»Das kann ich mir gut vorstellen.« Er wandte sich ab. »Danke, Grace.«
Er klang müde, und sie blieb stehen. »Wie knapp war es, Kilmer?«
»So knapp, dass es mir leidgetan hat, einige Dinge in meinem Leben nicht getan zu haben. So knapp, dass ich es bedauert habe, kein Testament gemacht zu haben, um dich und Frankie zu schützen.« Er lächelte schwach. »Aber das hättest du wahrscheinlich auch als Affront aufgefasst.«
»Wir brauchen dein Geld nicht. Charlie hat Frankie seine Pferdefarm vererbt.«
»Gut. Aber das bedeutet nicht, dass ich keine Verpflichtungen habe.«
»Das kommt ein bisschen spät.«
Er nickte. »Ich weiß. Aber ich kann nur die Karten ausspielen, die ich auf der Hand habe. Gute Nacht, Grace.« Er ging in Richtung Küche. »Falls du dich schlafen legen willst, ich kümmere mich darum, dass Frankie wieder ins Bett kommt.«
»Das mache ich selbst.« Schockiert stellte sie fest, dass sie am liebsten bei ihm geblieben wäre. Sie wollte in seiner Nähe sein. Sie wollte irgendetwas tun, um die Furchen der Erschöpfung in seinem Gesicht zu glätten. Gott, sie war schon genauso schlimm wie Frankie.
Nein, schlimmer.
Denn was sie ihm anzubieten hätte, wäre keine Tasse heißer Kakao.
»Grace?« Er war stehen geblieben, hatte sich umgedreht und musterte ihr Gesicht.
»Nein.« Sie schüttelte panisch den Kopf. »Es hat nichts zu bedeuten. Ich bin nur dankbar, dass du Donavan gerettet hast. Es wäre verrückt, anzunehmen –«
»Immer mit der Ruhe«, sagte er. »Ich nehme überhaupt nichts an. Ich wage nicht mal zu hoffen. Aber du sollst wissen, falls ich dir in irgendeiner Weise zu Diensten sein kann, würde es mich ungemein freuen. Ich würde nicht mehr erwarten, als du zu geben bereit bist. Ich würde –« Er schüttelte den Kopf und fügte heiser hinzu: »Blödsinn. Ich würde dich verschlingen und nach mehr verlangen. So war es immer zwischen uns.«
Bei seinen Worten lief ein Kribbeln durch ihren Körper. Ja, was Sex anging, waren sie immer unersättlich gewesen. »Nein.« Sie befeuchtete sich die Lippen. »Es stehen zu viele Jahre und zu viele Dinge zwischen uns.«
»Das wäre kein Hinderungsgrund für Sex. Das garantiere ich dir.«
»Du könntest doch nicht garantieren – Wieso rede ich überhaupt mit dir?«
»Weil du nach einer Möglichkeit suchst, dir zu nehmen, was du willst. Nimm es dir, Grace. Es wird keine Konsequenzen haben. Das verspreche ich dir.«
Sie schüttelte den Kopf und eilte die Treppe hinauf. Sie ergriff die Flucht vor ihm, dachte sie entgeistert. Von wegen ihre Gefühle für Kilmer ausmerzen. Kaum stand er vor ihr, hatte sie schon wieder weiche Knie.
Und der Schweiß brach ihr aus. Es fühlte sich an wie Fieber, sie spürte ein leichtes Prickeln in den Gliedern, und ihr Atem ging schneller.
Genau wie vor neun Jahren.
Aber sie war nicht mehr die Frau, die sie damals gewesen war. Sie war jetzt Frankies Mutter, und das reichte.
Nein, verdammt, es reichte nicht mehr.
Nimm dir, was du willst.
Das wäre zu gefährlich, zu überwältigend. Sie war mit ihrem Leben zufrieden gewesen, bevor er aufgetaucht war, und sie würde es wieder sein, sobald er weg war.
Zufrieden. Was für ein kümmerliches Wort.
Glücklich. Sie war glücklich mit Frankie. Sie brauchte den Wahnsinn nicht, den sie mit Kilmer erlebt hatte …
9
»HAST DU GUT GESCHLAFEN, Donavan?«, fragte Grace lächelnd, als sie am nächsten Morgen das Zimmer betrat. Sie schaute Dr. Krallon an, der von seinem Stuhl aufsprang. »Ist er ein unangenehmer Patient?«
»Ein unmöglicher Patient!« Der Arzt schüttelte den Kopf. »Er verflucht mich und weigert sich zu tun, was ich ihm sage. Er kennt überhaupt keine Dankbarkeit.«
»Eine Bettpfanne, Grace.« Donavan schüttelte den Kopf. »Er wollte mich nicht aufstehen und aufs Klo gehen lassen. Das ist doch demütigend.«
»Und praktisch.« Sie setzte sich auf den Stuhl, von dem der Arzt aufgestanden war. »Gehen Sie nur frühstücken, Dr. Krallon. Ich bleibe solange bei ihm.«
»Aber
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