Gnadenthal
hatte sein Hirschragout mit Wirsing in Windeseile verspeist.
Janicki stand auf, reichte ihm wortlos den Teller herüber und ging hinaus auf die Terrasse.
Haferkamp folgte ihm. Im Haus war Rauchverbot, und bevor sie sich wieder in Klausur begaben, wollte er sich noch schnell eine Zigarette gönnen.
Als er sah, dass Kai in sein Handy sprach, zog er sich an das entgegengesetzte Ende zurück, aber sein Freund hatte das Gespräch schon beendet.
«Und? Alles in Ordnung mit Bettina?», fragte Haferkamp.
Janicki zögerte. «Nein», sagte er dann, «es geht ihr sehr schlecht. Wenn ihre Eltern nicht zu uns gekommen wären, hätte ich überhaupt nicht fahren können.» Er verstaute das Handy in der Hosentasche. «Seit wann rauchst du eigentlich wieder?»
«Seit ein paar Wochen.»
«Gibst du mir auch eine?»
Haferkamp hielt ihm die Schachtel hin und gab ihm Feuer.
«Danke.» Kai schaute ihn nachdenklich an. «Ich weiß auch nicht, was diesen Schub ausgelöst hat. Eigentlich hatte sie sich gut erholt, aber am Mittwoch ging’s plötzlich wieder los, und zwar massiv.»
Haferkamp fasste sich ein Herz. «Wie hat sie es eigentlich aufgenommen, dass sie so sang- und klanglos durch Patricia ersetzt worden ist?»
Janicki sah blicklos in die Ferne. «Eigentlich ganz locker. Sie meinte, sie sei ja ohnehin nur die Ersatzfrau gewesen, und jetzt müsste sie sich wenigstens nicht mehr mit dem Lampenfieber rumplagen.»
«Ersatzfrau?», wunderte Haferkamp sich und drückte seine Zigarette in einem Blumenkübel aus. «Sie war immerhin dreiundzwanzig Jahre dabei.»
«Schon.» Kai machte es ihm nach und versteckte die beiden Kippen unter den Erikapflanzen. «Ich weiß nicht, vielleicht gerät sie auch in Panik, wenn ich wegfahre, und dann geht’s wieder los. Das war auch letztes Mal so.»
«Als du mit Dagmar bei mir warst, um das Programm durchzugehen?»
«Ja.»
«Hm …»
Die anderen warteten schon.
«Ich habe mir das Ganze durch den Kopf gehen lassen», begann Kai sofort. «Wir können nicht über die Sketche abstimmen, solange wir kein vernünftiges Konzept haben. Wir müssen uns erst einmal anschauen, welche Themen wir jeweils behandelt haben, und dann sehen, welches Motto sich daraus ergibt. Hat sich irgendjemand schon Gedanken darüber gemacht, wie das Programm heißen soll?»
Rüdiger schnitt ihm das Wort ab. «Bevor wir uns darüber unterhalten, muss ich erst mal was loswerden. Ich stimme dir übrigens voll und ganz zu, Kai, es wird Zeit, dass wir, genauso wie sonst auch, die inhaltlichen Aussagen diskutieren. Es ist doch total Scheiße, was hier abgeht, Listen machen, drei ernste, drei doofe. Ich bin doch hier nicht bei ‹Indisch Atmen›, wir sind doch keine gottverdammte Selbsthilfegruppe.» Seine Stimme blieb ganz beherrscht.
Sozialpädagoge, dachte Haferkamp.
«Aber was anderes», fuhr Rüdiger fort. «Bisher hatte ich hier immer das Gefühl, dass ich über mich selbst bestimmen kann, aber es scheint sich etwas Grundlegendes geändert zu haben. Wieso, Frieder, buchst du ohne jegliche Absprache vierzehn Tage am Stück? Und woher nimmst du dir das Recht zu bestimmen, wer wann anreist? Wenn du auf einmal den Boss raushängen lassen willst, dann mach eine klare Ansage, darauf können wir uns einstellen.»
Sibylle reagierte als Erste. «Wenn das ein Versuch werden soll, den Konflikt, der sich hier anscheinend aufgebaut hat, gruppendynamisch und demokratisch zu lösen, finde ich deine Wortwahl aber reichlich daneben.»
Aber Frieder reagierte gleich. «Tut mir Leid, ich verstehe ja, dass einige von euch sauer sind, aber bei mir ging in letzter Zeit echt alles drunter und drüber. Wisst ihr, unser Entschluss zu heiraten kam sehr spontan. Kaum hatten wir darüber gesprochen, da saßen wir schon im Flieger nach Vegas. Ich habe nur versucht, auf den letzten Drücker alles trotzdem noch irgendwie zu organisieren.»
«Das hättest du delegieren können», meinte Haferkamp. «War schließlich sonst auch nie ein Problem.»
«Kommt, Kinder, macht mal halb lang.» Dagmar hob beschwichtigend die Hände. «Für mich ist es offensichtlich, dass wir wegen dieser dämlichen Fernsehaufnahmen ganz schön unter Druck stehen, und zwar alle. Das gefällt mir nicht. Ich denke, wir sollten das für den Moment ausblenden und so locker wie immer an die Sache herangehen.»
Maria lachte auf. «Die Macht der Medien. Sagt mal, wieso können die uns überhaupt vorschreiben, dass wir nur sechs Stücke aus den alten Programmen spielen
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