Gnadentod
Außergewöhnliches zu stoßen, abgesehen von der Plastikspritze. Nach einer Stunde wurde ich schläfrig. Das Klügste wäre gewesen, zurück ins Bett zu kriechen. Stattdessen trottete ich in die Küche. Spike lag zusammengerollt auf seiner Matratze in der angrenzenden Waschküche und hatte sein flaches kleines Bulldoggengesicht gegen den Schaumstoff gepresst. Die Bewegung unter seinen Augenlidern verriet, dass er träumte. Süße Träume, seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen - eine schöne Frau fährt dich in ihrem Pick-up herum und gibt dir Leckerbissen, warum auch nicht?
Ich nahm Kurs auf die Speisekammer. In der Regel ist das für ihn ein Anlass, angelaufen zu kommen, sich hinzuhocken und auf etwas zu Fressen zu warten. Doch dieses Mal öffnete er nur ein Auge, warf mir einen »Du machst wohl Witze«-Blick zu und schnarchte weiter.
Ich kaute auf einigen trockenen Frühstücksflocken herum, machte mir einen großen Becher Pulverkaffee und trank die Hälfte, um die Kälte aus meinen Knochen zu vertreiben. Die Nacht ließ die Küchenfenster dunkelblau aussehen. Schwarzer Dunst im Hintergrund war der einzige Hinweis auf Büsche und Bäume. Ich sah auf die Uhr. Vierzig Minuten vor Tagesanbruch. Ich nahm den Becher mit ins Arbeitszimmer.
Es wird Zeit, noch ein paar Windmühlenflügel aufs Korn zu nehmen, Mr. Quichotte.
Ich setzte mich wieder an den Schreibtisch. Zehn Minuten später sah ich es und fragte mich, warum es mir nicht früher aufgefallen war.
Es war eine Notiz, die der erste Polizeibeamte aus Seattle am Tatort des Bonpaine-Mordes gemacht hatte - ein Detective namens Robert Elias, benachrichtigt von den Forstbeamten, die als Erste zum Schauplatz des Verbrechens gerufen worden waren.
Es handelte sich um eine Notiz in einer sehr kleinen Schrift am unteren Ende der Seite mit einem Querverweis zu einer Fußnote.
Leicht zu übersehen - keine Ausreden, Delaware. Jetzt schrie es mich an.
Das Opfer, schrieb Elias, wurde von einem Wanderer entdeckt, der seinen Hund ausführte (siehe Anm. 45).
Diese Information führte mich ans Ende der Bonpaine-Akte, wo sich eine Liste von mehr als dreihundert Ereignissen befand, die der penible Detective Elias aufgezählt hatte.
Nummer 45 lautete: Wanderer: Tourist aus Michigan. Mr. Ferris Grant.
Nummer 46 war eine Adresse und eine Telefonnummer in Flint, Michigan.
Nummer 47: Hund: schwarze Lahr. - Hündin. Mr. F. Grant bemerkt: »Sie hat eine großartige Nase, hält sich für einen Drogenhund. «
Das hatte ich schon mal gehört, Wort für Wort. Es war Paul Ulrichs Beschreibung von Duchess, dem Golden Retriever.
Ferris Grant.
Michael Ferris Burke. Grant Rushton.
Flint, Michigan. Huey Grant Mitchel hatte in Michigan gearbeitet - in Ann Arbor.
Ich rief die Nummer an, die Ferris Grant als Privatanschluss angegeben hatte, und hörte den Anrufbeantworter des Flint Museum of Art.
Es gab kein Zeichen dafür, dass Elias das überprüft hatte. Warum sollte er sich auch die Mühe machen? Ferris Grant war nur ein hilfsbereiter Bürger gewesen, der die Ermittlungen in einem Mordfall unterstützt hatte, indem er die Leiche »entdeckte«.
Ebenso, wie Paul Ulrich Mate entdeckt hatte.
Wie Burke das genossen haben musste. Die Koordinierung. Sich einen legitimen Grund dafür zu verschaffen, dass er an den Schauplatz des Verbrechens zurückkehren konnte, voller Stolz auf sein Werk, während er in aller Ruhe zusehen konnte, wie die Cops herumstolperten.
Der Privatwitz eines Psychopathen. Spielchen, ständig Spielchen spielen. Sein innerliches Lachen musste ohrenbetäubend gewesen sein.
Ein Wanderer mit einem Hund.
Paul Ulrich. Tanya Stratton.
Ich blätterte hastig zu der Fotogalerie, die Leimert Fusco zusammengetragen hatte, und versuchte, eines der jüngeren Portraits von Burke mit meiner Erinnerung an Ulrich in Einklang zu bringen. Aber Ulrichs Gesicht wollte vor meinem geistigen Auge keine Form annehmen, alles woran ich mich erinnern konnte, war der ausladende Schnurrbart.
Und genau das war der springende Punkt.
Die Gesichtsbehaarung veränderte den Gesamteindruck. Das war mir bereits aufgefallen, als ich versucht hatte, die verschiedenen Fotos von Burke miteinander in Einklang zu bringen. Der Bart, den Burke sich als Huey Mitchell, Krankenpfleger auf der Kardiologie, hatte wachsen lassen, war so wirkungsvoll wie eine Maske.
Er hatte eine weitere Identität in Michigan benutzt. Ferris Grant… das Museum in Flint. Noch ein Lacher: Ich bin ein Künstler! Er war wieder
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