Gnadentod
Vielleicht hat er einen Bewährungshelfer, mit dem ich reden kann. Wenn er der Penner war, den Mrs. Krohnfeld gesehen hat, treibt er sich vielleicht noch in Hollywood herum. Das würde auch zu deiner Idee passen, dass er Mate verfolgt hat.«
»Seinen Daddy verfolgt hat.«
»Der in seine eigene Welt abgedriftet ist und sich für unsterblich hält… Ich glaube, ich rufe bei Petra an, sie kennt sich besser als jeder andere auf der Straße aus.«
Petra Connor war eine Kriminalbeamtin im Morddezernat der Hollywood Division, die jung, intelligent und sehr ernsthaft war. Sie war kürzlich zum Detective II befördert worden, weil sie Milo bei den Ermittlungen in einer Mordserie an Behinderten geholfen hatte. Unmittelbar danach hatten sie und ihr Partner den Fall Lisa Ramsey gelöst - die Ex-Frau eines Fernsehschauspielers, die man zerhackt im Griffith Park gefunden hatte. Sie hatte mir einen Fall vermittelt, einen zwölfjährigen Jungen, der das Verbrechen beobachtet hatte. Er war ein brillantes, vielschichtiges Kind, einer der faszinierendsten Patienten, denen ich jemals begegnet war. Man munkelte, dass ihr Partner Stu Bishop bald eine höhere Position in der Verwaltung einnehmen würde und dass sie bis zum Jahresende Detective III wäre, sodass sie vom neuen Polizeichef für irgendeinen Posten in der ersten Reihe aufgebaut würde.
»Grüß sie von mir«, sagte ich.
»Klar«, sagte er, doch er klang abwesend, und sein Blick war in die Ferne gerichtet.
Er starrte in seine eigene Welt. In diesem Moment war ich froh, dass ich dieses Erlebnis nicht mit ihm teilen musste.
12
Es war Montagabend, halb zehn, am Ende eines sehr langen Tages.
Robin genoss ein Bad, und ich lag im Bett und sah mir Stacy Doss’ Unterlagen an.
Morgen früh würde ich mich mit Stacy unterhalten, vorgeblich über das College.
Sie hatte das College schon beim ersten Mal als Vorwand benutzt.
Ein warmer Freitagnachmittag im März: Ich hatte Termine mit zwei anderen Kindern vor ihr gehabt, traurige Fälle, Opfer einer bösartigen Auseinandersetzung um das Sorgerecht. Die nächste Stunde verbrachte ich mit dem Erstellen von Berichten. Dann wartete ich voller Neugier auf Stacy.
Trotz meiner vorgefassten Meinung über Richard Doss - genau wegen ihr - hatte ich mich bemüht, mir von seiner Tochter im Vorfeld kein Bild zu machen. Dennoch fragte ich mich, was für ein Mädchen wohl aus der Verbindung von Richard und Joanne hervorgehen würde. Ich hatte keine Ahnung.
Das rote Licht, das aufleuchtet, wenn jemand am Nebeneingang läutet, ging exakt zur verabredeten Zeit an, und ich stand auf, um sie abzuholen. Sie war einsachtundfünfzig I groß, in genetischer Hinsicht vollkommen logisch. Wie hätten die Dosses auch einen Basketballspieler produzieren sollen? Sie hatte sich ein hellgrünes großformatiges Buch unter ihren rechten Arm geklemmt, dessen Titel von ihrem Ärmel verdeckt wurde. Sie trug einen weißen Rollkragenpulli lover, eine eng anliegende Bluejeans und weiße Socken.
Sie hatte eine normale Teenagerfigur, ein etwas volles Gesicht, aber definitiv kein Übergewicht. Wenn sie zehn Pfund zugenommen hatte, wie Judy Manitow behauptete, war sie vorher extrem schlank gewesen. Das stimmte mich nachdenklich - Judy selbst neigte zu einer gewissen Knochigkeit, und auf den Schnappschüssen ihrer Töchter im Richterzimmer waren zwei helläugige Blondinen in sehr kurzen, sehr engen Partykleidern zu sehen gewesen … ebenfalls dürr, wobei die jüngere - Becky - fast nur aus Haut und Knochen zu bestehen schien.
Wie auch immer, Stacy war die Patientin. Sie hatte volle Wangen, aber ein langes Gesicht, das die Erinnerung an das Collegefoto ihrer Mutter wachrief. Sie hatte Richards hohe, breite Stirn, auf der ein paar winzige Pickel sprossen, und sie besaß diese elfenhaften Gesichtszüge, ein weiteres Erbteil beider Elternteile.
Sie lächelte nervös. Ich stellte mich vor und streckte ihr meine Hand entgegen. Sie ergriff sie bereitwillig, hielt den Augenkontakt aufrecht und ließ ein Lächeln von einer halben Sekunde aufblitzen, das eine Menge Kalorien verbrannte.
Sie gab sich Mühe.
Sie war hübscher als Joanne, mit dunklen Mandelaugen und auf diese zierliche Art gut aussehend, die die Jungs anziehen würde.
Ein weiteres Vermächtnis ihres Vaters war ihr Haar: dick, schwarz und sehr lockig. Sie trug es lang und offen und hatte es mit irgendeinem Mittel zum Glänzen gebracht, das die Spiralen zu Korkenzieherlocken entspannte. Ihr Teint war heller als
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