Gnosis
nervös. Sie schien aus jeder Pore ihres Körpers zu schwitzen. Doch sie musste sich beherrschen. Vielleicht hatte sie nur eine einzige Chance.
Der Knauf drehte sich nicht weiter. Samantha atmete aus. Die verstärkten Stahlschlösser hielten. Plötzlich hörte sie drei Schüsse kurz nacheinander, und die Tür flog auf. Sie drückte ab.
Der Schuss war ohrenbetäubend. Es rauschte in ihren Ohren, als die Pistole ausschlug und ihr herunterfiel. Da erkannte Samantha Branigans Gesicht über der Brust, die sie getroffen hatte. Sie versuchte, sich zu überzeugen, dass sie außer Gefahr war, dass alles nur ein Irrtum war, doch dann sah sie Manderville.
Sein Mund war eine wütende Grimasse. Und seine Waffe war auf sie gerichtet.
In Panik suchte sie nach ihrer HK, aber die lag am anderen Ende des Zimmers auf dem Boden. Sie hob beide Hände, als Manderville auf sie zukam, über den sterbenden Branigan hinwegstieg und seine Pistole auf ihre Stirn gerichtet hielt.
Sie wusste nicht, wohin. Sie spürte den Schreibtisch hinter sich. Ihr Herz schlug bis zum Hals. Mandervilles blinder Hass war nicht zu übersehen: Er würde sie töten.
Am liebsten hätte sie die Augen zusammengekniffen, denn sie fürchtete, dass sie mit ansehen müsste, wie die Mündung blitzte und die Kugel auf ihr Hirn zuflog, doch sie war wie erstarrt. Und dann, als Mandervilles Pistole kaum noch einen Daumenbreit entfernt war, hörte sie eine laute Stimme.
«HALT! NICHT SCHIESSEN!»
Bevor Samantha die Worte begriffen hatte, zog Manderville seine Pistole zurück, holte aus und schlug sie ihr an den Schädel.
Schweißnass setzte sich Elijah im Bett auf.
Farben explodierten im dunklen Zimmer direkt vor seinen Augen. Sein Herz raste, und er schnappte nach Luft. Wild wandte er sich ab, um dem flammenden Taumel zu entkommen, doch gab es kein Entrinnen vor den grellen Farben. Er versuchte, sich ihnen zu verschließen, doch die Gefühle, die auf ihn eindrangen – Jills Gefühle –, waren zu stark.
Stattdessen versuchte er, herauszufinden, was die anderen im Zimmer taten. An Winters eisigem Blau sah er, dass sie noch schlief, aber Charlie war hellwach. Genau wie Elijah war auch er in sengendes Orange und Grün getaucht, als Jills kranker Hass ihn bedrängte. Elijah konzentrierte sich auf sein Innerstes und sendete schließlich ein flackernd weißes Licht an seinen Freund, um ihm zu zeigen, dass er da war.
Charlie reagierte sofort, Elijah konnte die gelbe Erleichterung sehen. Elijah seufzte und sog die Farbe in sich auf. Bebend atmete er ein, und sein Puls ging schon wieder langsamer. Elijah ließ Charlie seine unsichere Ruhe spüren, und wieder reagierte Charlie sofort.
Ganz allein in der Finsternis, in einem Meer von Farben, dankte Elijah dem lieben Gott, dass sein Freund in der Nähe war.
KAPITEL 49
Jill schlug mit der flachen Hand zu. Samanthas Kopf prallte gegen die Wand, dann sank sie in sich zusammen. Jill holte aus, um gleich nochmal zuzuschlagen, sobald Samantha die Augen öffnete. Als sie wieder zu sich kam, durchzuckten grelle Emotionen ihren Kopf.
Schmerz. Verwirrung. Angst. Und dann, als Samantha ihren Kopf hob und Jill über sich sah, mischte sich dumpfes Entsetzen mit ekelhafter Hoffnungslosigkeit. Samantha betrachtete ihre zerrissene Bluse.
Jill trug Handschuhe. Mit zwei Fingern hielt sie die Silberkette. Das schimmernde Metall baumelte hin und her und glitzerte im Licht. Samantha verlor den letzten Mut, den sie noch in sich hatte, und Jill schleuderte die Kette durch den Raum. Heftig schnaufend versuchte Samantha sich zusammenzureißen.
«Warum tust du das, Jill?»
«Sag du es mir!»
«Ich weiß es nicht …»
«Natürlich weißt du es!», schrie Jill und freute sich an Samanthas Entsetzen – eine Explosion aus Orange. Sie verkniff sich ein Lächeln und ging ganz nah an Samanthas Gesicht heran. Samantha schluckte und blickte starr zu Boden.
Sie sah die breite Blutspur, die bis zur Tür führte, wo der tote Branigan zusammengesunken war. Als Samantha in die glasigen Augen des Toten blickte, spürte Jill die aufwallende Übelkeit der Frau. Im letzten Moment wich sie zurück, um dem Schwall zu entgehen.
«Magst du nicht sehen, was du angerichtet hast?», fragte Jill und schob ihren Stuhl ein Stück nach vorn. «Was ist? Noch nie jemanden umgebracht?»
«Nein», presste Samantha hervor. Einen Moment lang schluchzte sie leise, und ihre violette Angst verfinsterte sich, bis sie fast glänzte. Samantha blinzelte die Tränen
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