Gnosis
aus ihren Augen, sah sich um, und Jill spürte ihre Neugier.
«Manderville wartet draußen», sagte Jill. «Wir sind unter uns. Wenn du meine Fragen ehrlich beantwortest, lasse ich dich leben.» Jill fühlte einen Hoffnungsschimmer in Samantha. «Wenn du mich anlügst, landest du bei Branigan. Verstanden?»
Samantha nickte eilig. Sie zitterte.
Jill holte tief Luft.
«Hast du …» Jill zögerte einen Augenblick, denn sie wusste, dass es kein Zurück mehr gab, wenn sie diesen Weg einschlug. «Hast du mich jemals geliebt?»
Samantha erschrak.
«Jill …», sagte sie, um Zeit zu schinden, «… wie kannst du das fragen?»
«Weil ich es wissen will», sagte Jill und schluckte ihren Zorn herunter. «Hast du mich jemals geliebt?»
«Warum tust du das? Was willst du damit …»
«ANTWORTE MIR!», schrie Jill. «Hast du mich jemals GELIEBT?»
Samantha zog laut die Nase hoch und stöhnte. «Jill …»
«JA ODER NEIN?»
Samantha holte tief Luft. «Nein», flüsterte sie. «Aber, Jill, du musst mich doch verstehen …»
Jill schlug Samantha ins Gesicht. Mit hellem Knacken knallte ihr Kopf an die Wand. Samantha spuckte eine bräunliche Mischung aus Blut und Galle.
«Verstehen, Samantha? Was soll ich verstehen? Wieso du mich belogen hast? Verstehen, warum du mich benutzt hast? Komm schon! Erklär’s mir!»
Samantha starrte Jill flehend an. Rote Blitze des Schreckens zuckten in ihrem Bewusstsein, gefolgt von dumpfer Demut. Samantha hörte auf zu keuchen.
«Was willst du?», fragte sie ausdruckslos.
Wieder holte Jill aus und schlug zu. Samantha spannte sich an, wich aber nicht aus. Das wünschte sich Jill am meisten: dass Samantha vor Angst heulte. Dass es ihr leidtat … und vor allem, dass sie Jill liebte. Könnten sie doch nur von vorn beginnen! Jill wusste, dass sie Samantha diesmal dazu bringen würde, sie wirklich zu lieben.
Jill stand auf und trat zurück. Sie sah durch Samanthas schöne äußere Hülle direkt in ihr kaltes, berechnendes Ich. Jill sah nur fauliges Gelb. Keine Zuneigung. Keine Wärme. Keine Liebe. Nur Angst.
«Du bist jämmerlich», rief Jill und wischte sich den Rotz von der Nase. «Du benutzt die Menschen. Du hast Laszlo benutzt. Du hast Darian benutzt. Du hast mich benutzt. Jetzt … jetzt werde ich dich benutzen.»
«Jill …»
Jill wusste nicht, was Samantha sagen wollte, und es war ihr auch egal. Als sie später an diesen Augenblick zurückdachte, stellte sie sich vor, dass Samantha sie vielleicht um Vergebung bitten wollte. Zwar sah sie nicht den leisesten Hauch von Reue in Samantha, doch wollte sie gern glauben, dass es Samantha leidtat. Und obwohl dadurch alles, was danach geschah, in gewisser Weise nur noch schlimmer wurde, war es die Sache wert gewesen.
Samantha hatte keine Chance, ihren Gedanken zu beenden, da Jill ihr erdrückende Furcht eingab. Tränen traten in Samanthas trotzige Augen.
Jill übertrug allen Schmerz und alle zerschlagenen Hoffnungen, die sie in sich hatte, und verstärkte sie ums Zehnfache. Samanthas Psyche brach in sich zusammen. Sie stieß ein langes, trauriges Heulen aus. Es war das Traurigste, Schmerzlichste, was Jill je gehört hatte, so voller Qualen und Verzweiflung, dass sie es kaum ertragen konnte. Doch Jill drängte immer weiter, bis Samanthas Heulen im Schluchzen erstickte.
«So fühle ich mich … deinetwegen!», weinte Jill und blinzelte, um ihre Tränen zurückzuhalten.
«Aufhören … bitte …», wimmerte Samantha. Sie presste die Worte zwischen ihren Schluchzern hervor. «Bitte … oh, Jill, bitte … wenn du mich je geliebt hast, dann tu das nicht. Ich kann nicht … ich kann nicht …»
«Wenn ich aufhöre …», sagte Jill und gab ein wenig nach, «… machst du dann, was ich will?»
«Alles!», stöhnte Samantha. «Alles … ich schwöre es!»
Und dann – von einem Augenblick auf den anderen – nahm Jill Samantha alle Trauer, alle Qualen, allen Schmerz. Die Reaktion folgte sofort. Samantha keuchte, als tauchte sie auf, um nach Luft zu schnappen. Jill ließ sie ein paar Sekunden in Ruhe, damit sie wieder einigermaßen hergestellt war.
Als sie spürte, dass Samantha fast wieder bei Verstand war, fragte Jill: «Wo ist der Notschalter?»
Beim letzten Wort stöhnte Samantha auf, und ihr Innerstes zuckte förmlich zusammen. «Das darfst du nicht, Jill!»
«Doch, das darf ich», sagte Jill ganz leise. «Wo ist der Schalter?»
«Nein», sagte Samantha kopfschüttelnd. «Das werde ich dir nicht sagen.»
«Doch.»
Jill öffnete die
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