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Gnosis

Gnosis

Titel: Gnosis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Fawer
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rannte über die Straße und mischte sich unter die Leute. Sie hängte sich an einen hageren, alten Mann. Obwohl er nicht mehr der Jüngste war, ging er schnell, mit großen Schritten. Winter sah sich um und nickte Grimes zu. Der fuhr langsam an ihnen vorbei, dann hielt er an der nächsten Ecke.
    Er stieg aus und trat ans Heck des Lieferwagens. Der alte Mann war fast bei ihm. Winter lief ihm hinterher, und als er eben auf Höhe des Lieferwagens kam, tippte ihm Winter an die Schulter.
    «Wären Sie wohl so nett, mir kurz zu helfen, Sir?»
    «Natürlich. Was ist denn, junge Dame?»
    Winter nahm seine Hand. Sofort konnte sie seinen Klang hören – ein klares, blitzsauberes C. Es erinnerte sie an das Windspiel auf der Terrasse ihrer Eltern. Der Alte war glücklich und ausgeglichen.
    «Möchten Sie mit uns nach Manhattan fahren?», fragte Winter und ließ ihn ein tiefes, weiches B hören. «Keine Sorge – wir sind auch Gnostiker.»
    Der alte Mann blinzelte ein paarmal, dann schenkte er ihr ein freundliches, großväterliches Lächeln.
    «Danke. Das wäre sehr nett.»
    Winter half dem alten Herrn beim Einsteigen, ohne seine Hand auch nur einen Augenblick loszulassen. Grimes stieg wieder ein und fuhr los.
    «Valentinus ist einfach erstaunlich, nicht?», sagte SpyGurl voller Bewunderung.
    «Ja», der alte Mann sah sie an. «Allerdings.»
    «Wir haben das Treffen leider verpasst», sagte SpyGurl mit gesenktem Blick. Das war Winters Stichwort – sie übertrug reine Melancholie auf den alten Mann. Augenblicklich träumten seine Augen, und er schniefte laut. Winter konnte seine Traurigkeit hören, einen tiefen Ton der Verzweiflung.
    «Das tut mir leid.» Der alte Mann weinte und schüttelte langsam den Kopf.
    «Ist schon okay», sagte SpyGurl. Sie tätschelte ihm die Schulter. Winter ließ ihn dezentes Mitgefühl spüren.
    «Ich weiß, es ist gegen die Regeln, aber wir müssen wissen, was Valentinus gesagt hat. Bestimmt können Sie nachempfinden, wie uns zumute ist … wenn Sie an unserer Stelle wären, wie sehr würden Sie sich wünschen, dass jemand Ihnen davon erzählt.»
    Der Alte nickte. Winter spürte seine Zerrissenheit. Sie machte Druck und verstärkte den Wunsch, der in ihm war, ihnen alles zu erzählen.
    Der alte Mann schwieg einen Augenblick, dann flüsterte er: «Valentinus wird uns endlich zum Einzig Wahren Gott heimführen.»
    «Wann?»
    «Heute um Mitternacht. Auf dem Times Square.»
    «Und wie?»
    «Damit.»
    Der Alte griff unter sein Hemd und holte eine lange Silberkette hervor. Daran hing ein silbernes Emblem mit dem Bild einer Schlange, die sich in den Schwanz biss. Außerdem ein fünfzehn Zentimeter langer Zylinder von der Dicke eines Füllers. Die Hälfte des Röhrchens steckte unter einer silbernen Kappe. Die andere Hälfte war durchsichtig. Darin sah Winter eine blaue Flüssigkeit.
    «Die Injektion wird den göttlichen Funken aus unserem physischen Kerker befreien. Dann kehren wir alle ins Pleroma heim. Sie müssen umkehren und sich auch so eine Spritze holen, sonst können Sie nicht mit auf die Reise gehen.»
    «Oh, mein Gott …», flüsterte SpyGurl. «Er hat jedem eine gegeben?»
    «Selbstverständlich. Wir müssen viele sein, wenn wir den Schöpfergott vernichten und die Welt hinter uns lassen wollen.»
    «Was ist in dieser Spritze?», fragte Winter und versuchte, sich ihre Sorge nicht anmerken zu lassen.
    Der Alte sagte nur ein Wort: «Zyankali.»
     
    SpyGurl riss dem alten Mann das Silberröhrchen aus der Hand. Er zerrte an der Kette, und ihr Verschluss ging auf, sodass das Amulett herunterfiel. SpyGurl lehnte sich zurück. Sie hielt das Zyankaliröhrchen in der Faust.
    «Gib das her!» Erstaunlich behände fiel der alte Mann über SpyGurl her, packte sie mit der einen Hand an der Kehle, mit der anderen griff er nach ihrer geballten Faust. «Das gehört mir! Gib her!»
    Winter versuchte, den Alten von SpyGurl wegzureißen, aber er war zu stark. Sein Geist schrie und kreischte, so zornig war der Alte, und Winter zog ihre Hände weg, als hätte sie sich verbrannt.
    Stevie stieg auf die Bremse. Mit Elijah sprang er aus dem Wagen. Sie rissen die Hecktür auf. Stevie versuchte, den Alten loszureißen, der immer noch SpyGurl die Kehle zudrückte, sodass sie schon puterrot im Gesicht war.
    Elijah stand draußen vor dem Van, starr vor Angst.
     
    Jahrelange Panik vor der leisesten Berührung stieg in ihm auf. Elijah konnte sich einfach nicht dazu bewegen, in den engen Raum zu steigen und den alten Mann

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