Gnosis
und trat eilig zurück.
«Da ist etwas Wasser», sagte er und deutete auf den Becher, obwohl das Mädchen noch immer bäuchlings auf dem Boden lag. «Wir reden morgen.»
Am nächsten Abend kehrte Pater Sullivan mit einer Reisetasche und zwei Eimern in den Keller zurück. Einer war leer, der andere mit Wasser gefüllt, das auf den Boden schwappte. Er achtete nicht auf die Pfütze zu seinen Füßen, trat leise vor und hielt sein Ohr an die Tür.
Das Holz war kalt an seiner Haut. Fast eine Minute stand er da, hörte aber nur das leise Rauschen der Heizungsanlage und sein eigenes Herzklopfen. Er überlegte, ob sie sich vielleicht befreit hatte. Er hatte von Dämonen gelesen, die ihren Wirten übernatürliche Kräfte verliehen.
Was wäre, wenn sie ihre Ketten gesprengt hatte und nur darauf wartete, dass er die Tür aufschloss, um dann hervorzuspringen und ihn zu erdrosseln?
Oder Schlimmeres.
Er schüttelte den Kopf. Er machte sich lächerlich.
Lächerlicher, als ein kleines Mädchen im Keller anzuketten? Noch lächerlicher?
Pater Sullivan weigerte sich, seinen Ängsten nachzugeben, und schloss die Tür auf. Als sie sich öffnete, fiel sein Blick sofort auf die Bestie. Als er sah, was sie tat, stockte ihm der Atem.
Das Mädchen lag auf den Knien. Sie hielt den Kopf gesenkt, das schmutzige Haar zu einem festen Dutt verknotet, die gefesselten Hände vor dem Gesicht gefaltet. Sie betete.
An ihren ausgemergelten Wangen klebte Dreck und trockenes Blut. Schon jetzt wirkte sie so abgemagert, dass ihr das schmutzige Nachthemd zwei Nummern zu groß war. Trotz ihrer äußeren Erscheinung war ihr Blick aufrichtig, sodass es ihm kalt den Rücken hinunterlief.
Keine Spur von Wut oder Zorn, nicht einmal Trauer. Nur Bedauern und eine gewisse Ergebenheit. Das alles war so übermächtig, dass er den Gestank kaum registrierte, der sich seit dem gestrigen Abend noch um einiges verschlimmert hatte.
«Hallo, Pater.»
«Hallo … Jill.»
Pater Sullivan prüfte die beiden Handschellen und die Kette, die zum Abflussrohr führte. Dann holte er die Reisetasche und schloss die Tür.
«Ich habe dir ein paar Sachen mitgebracht, damit du es bequemer hast.»
Pater Sullivan packte die Tasche aus. Eine Rolle Toilettenpapier. Zwei weiße Handtücher. Ein durchsichtiger Plastikkrug und ein paar Becher. Eine Bibel. Schließlich hob er die beiden Eimer an. Er tauchte den Krug in den vollen Eimer und schöpfte zwei Liter Wasser heraus. Davon gab er etwas in einen Becher, während Jill ihn mit gierigem Blick beobachtete.
Er trat zurück und winkte sie heran. Sie humpelte näher, konnte mit den Handschellen um ihre Knöchel aber nur winzig kleine Schritte machen. Am Tisch nahm sie den Becher, trank ihn in einem Zug leer. Dann warf sie ihn weg und nahm den ganzen Krug. Sie hielt ihn mit beiden Händen, trank und trank, bis auf den letzten Tropfen.
Dann tauchte sie ein Handtuch in den Eimer und presste es auf ihr Gesicht. Wasser tropfte auf den Boden, als sie sich die Stirn wischte, über Augen, Nase, Wangen, Mund und Kinn. Danach war das Handtuch braun, und ihr Gesicht leuchtete gespenstisch weiß. Nur ihre kalten Augen blieben, wie sie waren.
Einen Moment lang starrte sie den Priester an, dann senkte sie verlegen den Blick.
«Kann ich … kann ich etwas zu essen bekommen?»
Langsam schüttelte Pater Sullivan den Kopf.
«Es tut mir leid, aber du musst fasten, damit du dich konzentrieren kannst. Lass uns nun beten.»
Jill kniete nieder, sie hielt sich am Tisch fest. Als sie auf dem Boden kauerte, ließ sie den Kopf sinken und begann.
«Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name …»
Während sie betete, fragte sich Pater Sullivan, ob der Dämon seine Herrschaft über das Mädchen aufgegeben hatte, wenn vielleicht auch nur vorübergehend. Zweifellos war sie verändert. Es sei denn, das wäre alles nur Theater.
«Jill, du verstehst doch, warum ich dich hier unten festhalten muss?»
Sie antwortete, ohne die Augen aufzuschlagen, mit gesenktem Kopf.
«Sie glauben, ich bin besessen.»
Pater Sullivan zögerte. «Glaubst du, dass du besessen bist?»
Jill hob den Kopf und wandte sich ihm zu, doch ihr Blick blieb starr auf den Boden geheftet.
«Ich weiß nicht. Was mit dem anderen Priester passiert ist … als er Sie angegriffen hat, ich glaube … ich glaube, das war ich. Ich war einfach so wütend. Ich habe mir gewünscht … dass Sie tot wären.» Jill zog die Nase hoch. «Es tut mir so leid, Pater.»
«Es ist schon gut.
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