Go West - Reise duch die USA
später abgerissen werden mussten.«
Eine tiefe Traurigkeit überkam mich. Wir standen hier vor Ground Zero , und das neue WTC kam uns fehl am Platz vor.
»Ich finde, man sollte hier nichts bauen«, sagte Gina. »Die in den Himmel aufragenden Stahlträger waren doch die beste Mahnung an alle Besucher, sich für die Freundschaft zwischen den Völkern einzusetzen.«
Liz nickte nachdenklich. »Die Diskussion gab es auch. Aber dieses Filetstück Manhattans ist einfach zu wertvoll, um vollkommen ungenutzt zu bleiben. Die Immobilienhaie wollen Geld verdienen. Natürlich trauern sie. Aber das kann man auch mit einem Koffer voll Geld.« Liz wirkte verbittert. »Na ja, der Kompromiss ist wohl die Gedenkstätte mit Museum, Hinweistafeln, Bildern und Andenken. Gina deutete auf zwei gigantische beckenartige Löcher, von deren Rändern Wasserfälle flossen. »Und was ist das?«
»Das sind die Stellen, an denen die Türme gestanden haben. Diese beiden Becken sind sozusagen die Fußabdrücke der Zwillingstürme und Teil des National September 11 Memorial . Um sie herum sind Bronzetafeln mit den Namen der Opfer angebracht. Ich bin froh, dass wenigstens dort nichts gebaut wurde.«
Mir kam ein Gedanke, der mir gar nicht behagte. »Das ist doch hier eigentlich ein großer Friedhof, oder? Man kann doch die vielen Toten gar nicht alle gefunden haben.«
»Nein«, sagte Liz ernst. »Sie wurden zu Staub zermahlen, und viele von den New Yorkern haben ihn damals eingeatmet.«
Minutenlang bekamen wir kein Wort heraus. Diese Vorstellung machte mir erst bewusst, wie mächtig und gewaltig dieses Ereignis die Amerikaner getroffen haben musste. Schließlich sagte Liz etwas, das mich wieder aufbaute.
»Das neue O WTC wird etwa fünfhundertvierunddreißig Meter hoch sein, das sind genau eintausendsiebenhundertsechsundsiebzig Fuß. 1776 ist nämlich das Jahr der Unabhängigkeitserklärung. Und damit steht das neue Gebäude für die alten Werte Amerikas.«
»Man darf sich nicht unterkriegen lassen«, murmelte Gina.
»Genau. Die schlimmen Momente lehren uns das Gute. Die New Yorker sind zusammengewachsen. Jeder hat jedem geholfen und beigestanden. Und das in einer Stadt, von der man meint, es ginge nur um Geld und Hektik und dass jeder für sich kämpft.«
»Man sollte diese Dinge aber auch leben, wenn alles in Ordnung ist«, sagte ich leise.
»Das stimmt.« Liz holte Luft und löste dann die gedrückte Stimmung. »Was ist, habt ihr Hunger?«
»Ja!«, kam es einstimmig.
»Aber keine Hotdogs, lasst uns schnell zurückfahren. Meine Mutter hat gesagt, dass sie uns für heute Abend was Tolles kocht.«
Der Tag war lang gewesen und die Eindrücke überwältigend. Ich wollte gar nicht mehr weg aus Manhattan, aber die Aussicht auf ein echt amerikanisches Abendessen war verlockend. Mit einem letzten Blick auf Ground Zero verabschiedeten wir uns für diesen Tag von Manhattan und nahmen die Metro zurück zur Penn Station .
Ich bin gerne Berlinerin, aber an diesem Tag hätte ich getauscht, um New Yorkerin zu werden.
Cadillacs und Ghettoblaster
W as ist, seid ihr gut zu Fuß?«
Liz sah uns herausfordernd an. Ich wechselte einen Blick mit Sandy und zuckte die Achseln.
»Klar sind wir das. Und wenn ich zwanzig Blasen kriegen würde, in New York lass ich keinen Meter aus!«
Wir hatten zeitig gefrühstückt, nicht nur, weil wir George, Lisa, Trish und Daniel Gesellschaft leisten wollten, sondern weil wir früh loswollten. Ich geb’s ja zu, ein bisschen wehtaten mir die Füße vom Vortag schon noch, aber niemals hätte ich mir das anmerken lassen, und außerdem ist New York wundgescheuerte Füße allemal wert.
»Okay«, sagte Liz. »Dann mach ich euch einen Vorschlag. Eigentlich wollten wir ja gestern schon den Broadway erkunden, aber das wäre zu viel geworden. Machen wir das eben heute. Ich würde sagen, wir nehmen die Metro bis zum Battery Park . Von da aus können wir zurück bis zum Central Park laufen und uns zwischendurch ein paar schöne Stellen raussuchen. Und wenn ihr wollt, fahren wir vorher noch mit der Fähre nach Ellis Island .«
»Die Einwandererinsel?«, entfuhr es mir.
»Ja«, bestätigte George. »Oder auch die Isle of Tears . Man nannte sie so, weil sich dort viele Schicksale entschieden. Manchmal eben nicht zum Guten.«
»Da muss ich unbedingt hin!«, sagte Sandy. »Schließlich sind wir auch so was wie Einwanderer.«
»Na, okay.« Liz schob sich das letzte Stück ihres mit Ahornsirup bestrichenen pancake in den Mund und
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