Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band
Form eines Krebs-Kanons hat. Das hieße, ihn auf einer Ebene zu verstehen, auf einer anderen aber nicht. Um den Selbstbezug zu erkennen, muß man sowohl die Form als auch den Inhalt des Dialogs betrachten.
Gödels Konstruktion beruht auf der Beschreibung sowohl der Form wie auch des Inhalts von Ketten des formalen Systems, das wir in diesem Kapitel definieren wollen die Theoria Numerorum Typographica (TNT), oder Typografische Zahlentheorie. Der unerwartete Dreh ist der, daß als Folge der von Gödel entwickelten subtilen Abbildungstechnik die Form von Ketten im formalen System selbst beschrieben werden kann. Schließen wir also Bekanntschaft mit diesem seltsamen System, das über die Fähigkeit des Einwickelns verfügt.
Was wir in TNT ausdrücken zu können wünschen
Wir beginnen damit, daß wir einige für die Zahlentheorie typische Aussagen anführen; dann wollen wir versuchen, eine Anzahl grundlegender Begriffe zu finden, mittels derer alle unsere Aussagen neu gefaßt werden können. Diese Begriffe erhalten dann ihre individuellen Symbole. Übrigens sei von Anfang an festgehalten, daß der Ausdruck „Zahlentheorie“ sich nur auf die Eigenschaften der positiven ganzen Zahlen und Null (und Mengen solcher ganzen Zahlen) bezieht. Diese Zahlen heißen natürliche Zahlen. Negative Zahlen spielen in dieser Theorie keine Rolle. So bedeutet das Wort „Zahl“ hier ausschließlich eine natürliche Zahl. Und es ist wichtig — entscheidend! — daß der Leser im Geist das formale System (TNT) und den ziemlich schlecht definierten, aber behaglichen alten Zweig der Mathematik, der die Zahlentheorie selbst darstellt, auseinanderhält; letztere werde ich „N“ nennen.
Einige typische Aussagen der N-Zahlentheorie sind:
1)
5 ist eine Primzahl.
2)
2 ist keine Quadratzahl.
3)
1729 ist die Summe zweier Kubikzahlen.
4)
Die Summe zweier positiver Kubikzahlen ist selbst keine Kubikzahl.
5)
Es gibt unendlich viele Primzahlen.
6)
6 ist gerade.
Nun könnte man meinen, daß wir ein Symbol für jeden Begriff wie „Prim-“ oder „Kubikzahl“ oder „positiv“ benötigen, aber diese Begriffe sind wirklich nicht primitiv. Zum Beispiel hat die Eigenschaft, eine Primzahl zu sein, mit den Faktoren zu tun, die eine Zahl besitzt, was wiederum mit der Multiplikation zusammenhängt. Formulieren wir die Aussagen also in anscheinend elementareren Ausdrücken neu:
1')
Es gibt keine Zahlen a und b , die beide größer sind als 1, so daß 5 gleich a mal b ist.
2')
Es gibt keine Zahl b , so daß b mal b gleich 2 ist.
3')
Es gibt Zahlen b und c , so daß b mal b mal b , plus c mal c mal c gleich 1729 ist.
4')
Für alle Zahlen b und c , die größer als 0 sind, gibt es keine Zahl a , so daß a mal a mal a gleich b mal b mal b plus c mal c mal c ist.
5')
Für jede Zahl a existiert eine Zahl b , die größer als a ist und die Eigenschaft besitzt, daß es keine Zahlen c und d , beide größer als 1, gibt, so daß b gleich c mal d ist.
6')
Es gibt eine Zahl e , so daß 2 mal e gleich 6 ist.
Diese Analyse hat uns den Grundelementen der zahlentheoretischen Sprache sehr viel näher gebracht. Es ist klar, daß einige Wendungen immer und immer wiederkehren:
für alle Zahlen b
es gibt eine Zahl b , so daß ...
größer als
gleich
mal
plus
0, 1, 2 ...
Die meisten hiervon werden individuelle Symbole erhalten. Eine Ausnahme ist „größer als“, das noch weiter reduziert werden kann. Tatsächlich wird aus der Aussage „ a ist größer als b “:
Es gibt eine Zahl c , die nicht gleich 0 ist,
so daß a gleich b plus c ist.
Zahlzeichen
Wir werden kein besonderes Symbol für jede natürliche Zahl haben. Statt dessen werden wir eine ganz einfache, einheitliche Methode anwenden, jeder natürlichenZahl ein zusammengesetztes Symbol zu geben — ganz ähnlich, wie wir es beim pg-System taten. Unsere Notation für natürliche Zahlen ist:
null:
0
eins:
S0
zwei:
SS0
drei:
SSS0
usw.
Das Symbol S hat eine Interpretation — „der Sukzessor (Nachfolger) von“. Deshalb ist die wörtliche Interpretation von SS0 „der Sukzessor des Sukzessors von Null“. Ketten dieser Form nennt man Zahlzeichen.
Variablen und Ausdrücke
Es ist klar, daß wir eine Methode zur Bezeichnung unspezifizierter oder variabler Zahlen benötigen. Dafür werden wir die Buchstaben a , b , c , d , e gebrauchen. Aber fünf sind nicht genug. Wir brauchen einen unerschöpflichen Vorrat, wie wir in der Aussagenlogik einen unerschöpflichen Vorrat an Atomen brauchten. Wir werden ähnlich
Weitere Kostenlose Bücher