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Gößling, Andreas

Titel: Gößling, Andreas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dämonenpforte Die
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nicht eben schon ein Zittern durchlaufen? Hatte er sich nicht für den Bruchteil einer Sekunde vom Boden emporgeho ben?
    Plötzlich fiel Marian auf, dass der Summton verstummt war. Er schaute zur Seite – Billa war weg! Der Platz, wo sie eben noch gesessen hatte, war leer.
    Bis auf ein glitzerndes Häuflein mitten auf dem Steinklotz.
    Eiskaltes Entsetzen durchlief ihn. Sie hatte alle Amulette abgenommen. Sie – Sylvenia.

74

    Marian rannte durchs Drachenmaul und zurück in die Tempelruine. »Billa!«, schrie er. »Komm da raus!«
    Totale Dunkelheit. Außer seinem eigenen keuchenden Atem und dem Echo seiner stolpernden Schritte war nichts zu hören. Im Rennen durchwühlte er seine Jeanstaschen. Wo war die verdammte Taschenlampe abgeblieben? Egal jetzt. Die half sowieso nichts in dieser finsteren Riesenhöhle.
    »Wo bist du?«, schrie er. Stieß im Rennen unablässig gegen schlammweiche Bündel, modrige Überreste gottverfluchter Kreaturen. Glühende Augenpaare umkreisten ihn, wurden mit jedem Schritt mehr. Zehn geflügelte We sen, dann schon zwanzig, zwei Dutzend, mindestens. Ihr Schwingenschlag klang wie das Flattern loser Segel im Wind. »Geh nicht da runter, Billa!«, schrie er. »Bleib weg von dem verdammten Auge!«
    Keine Antwort. Selbst wenn sie ihn hörte – sie würde bestimmt nicht umkehren. Nicht, solange Sylvenia die Kontrolle über ihren Willen, ihren Körper besaß. Aber vielleicht würde Billa zumindest ein wenig zu Sinnen, zu Kräften kommen. Gegen das Hexenbiest ankämpfen, Sylvenias Bewegungen verlangsamen – wenigstens das.
    Eine ganze Wolke rotäugiger Fledermäuse – oder was immer es sein mochte – kreiste jetzt um ihn herum. Ihre Flügel rauschten und knatterten ohrenbetäubend. Die Biester wirkten zornig, aber das goldene Pentagramm und das Schutztuch hinderten sie anscheinend, sich auf ihn zu stürzen. Trotzdem hielt sich Marian zusätzlich beide Arme vors Gesicht, um seine Augen vor ihren Krallen und Zähnen zu schützen.
    So verlor er kostbare Sekunden, während Billa bestimmt schon auf den Stufen war, die zum Schlund hinunterführten. Endlich nahm er den schweren, süßlichen Geruch wahr. Er schlug mit den Armen um sich und die glühenden Augenpaare wichen vor ihm zurück. Deutlich hörte er nun auch das Brodeln und Blubbern, das von dem unterirdischen Auge ausging. Mit Händen und Fü ßen tastete er im Dunkeln umher. Doch während er noch nach der Öffnung im Fels suchte, erhob sich in der Tiefe ein Winseln und Stöhnen.
    Rasend schnell kam es den Gang raufgewirbelt, schwoll zu ungeheurem Brausen und Tosen an. Im nächsten Moment traf ihn eine Riesenfaust aus Sturm und Schlamm, schleuderte ihn zur Seite. Auf dem Bauch liegend, die Augen geweitet in ungläubigem Entsetzen, sah Marian, wie die ganze Hexenschar aus dem Schacht hervor- und an ihm vorbeistob – eine Walze aus Schlamm und Schwefel, Flut und Glut, Laub und Gelichter, aus tollwütigem Geheul und keckerndem Gelächter.
    »Na los, Schwestern«, kreischte es aus der Walze hervor. »Bildet den Eulenschlund, geschwind!« Eine Stimme so scheppernd, als ob aus tausend Wolken Scherben regnen würden – Meisterin Barixa!
    »Hab’s doch gleich gerochen«, heulte eine zweite Hexe aus dem Wirbel hervor, »dass diese Kleine das Au ge für uns aufreißen wird. Na, komm schon, Krötenbaby, komm!«
    Auch diese Stimme hatte Marian schon einmal gehört – in der Nacht, als Meister Justus die sechs Golems erschaffen hatte. Es war die rostige Stimme von Sylve nia, der Gehilfin der Hexenmeisterin. Und er brauchte nicht lange zu überlegen, wen Sylvenia mit dem »Krötenbaby« gemeint hatte: Im Schlepptau der Hexenwalze taumelte eine schmale Gestalt an ihm vorbei.
    »Billa!«, flüsterte Marian, doch sie hörte ihn nicht. So dicht ging sie an ihm vorüber, dass er sie fast mit der Hand hätte berühren, beim Fußknöchel fassen können. Aber er lag wie gelähmt da und konnte vor Entsetzen keinen Finger rühren. Und sowieso hätte es Billa nicht das Geringste genützt.
    Ein giftgelber Lichtpfeil steckte in ihrem Herzen, Ma rian sah es ganz genau. Von dem Pfeil verlief eine glühende Schnur zur Hexenwalze und riss die arme Billa wie eine lebendige Marionette hinter Barixa und den an deren Höllenweibern her. »Komm, Krötenbaby, komm!«, kreischte Sylvenia – und Billa blieb nichts anderes übrig, als ihnen wie ein harpunierter Fisch hin terdrein zu taumeln.
    Im nächsten Moment waren sie alle durchs Drachenmaul und draußen auf dem Vorplatz.

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