Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gößling, Andreas

Gößling, Andreas

Titel: Gößling, Andreas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tzapalil - Im Bann des Jaguars
Vom Netzwerk:
sich in einer Nische in der Kirchenmauer.
    Paolo Cingalez stand vor dem Eckhaus auf der anderen Seite der Plaza. Heute trug er schwarze Jeans und ein orangefarbenes Hemd, so als ob er jede Verwechslung mit Männern in hellen Anzügen
    vermeiden wollte. Offenbar war er im Gespräch mit einer Person, die sich noch im Innern des Hauses befand. Er hielt die Tür auf und rief etwas ins Haus hinein. Ein älterer Mann trat heraus, von bulliger Statur und in blauer Uniform. Ein Polizist?
    Marias Assistent verschloss sorgfältig die Tür. Zusammen mit dem bulligen Mann ging er quer über den Platz, in lebhaftem und offenbar vertrautem Gespräch. Auf den Schultern des Uniformierten prangten goldene Sterne auf roten Bändern. Was die beiden Männer sprachen, war nicht zu verstehen, aber mehrfach hörte Carmen, wie sie zusammen lachten. Reglos stand sie in der Mauernische, nur den Kopf hervorgereckt, um ihnen mit den Blicken zu folgen. Cingalez gestikulierte. Der bullige Mann schlug ihm auf den Rücken. Wieder lachten beide auf, dann liefen sie Schulter an Schulter die Stufen zum Polizeipräsidium hoch.
    Langsam trat Carmen aus ihrem Versteck hervor. Ihr Herz schlug so wild wie nach einem Hundert-Meter-Sprint. Cingalez und dieser Polizeioffizier waren allem Anschein nach dicke Freunde. Wenn also Maria wirklich entführt worden war und wenn Cingalez irgendwie in diese Geschichte verwickelt war, dann durfte sie sich auf gar keinen Fall der Polizei anvertrauen. Denn wenn sich herausstellte, dass sie dort am Ufer alles beobachtet hatte, dann würden diese Leute doch versuchen, auch sie noch zu schnappen und unschädlich zu machen.
    Noch einmal spähte Carmen vorsichtig nach rechts, zu der wuchtigen Doppeltür des Polizeipräsidiums. Dann wandte sie sich nach links und lief auf das Eckhaus zu, aus dem Cingalez und der Polizist gekommen waren. Maria hatte ja gesagt, dass ihr Büro sich hier an der Plaza befand. Und in München hatte sie ihr sogar ein Foto von dem Haus gezeigt, in dem sie arbeiten würde. Solange Cingalez drüben bei seinem Polizistenfreund war, konnte sie zumindest mal einen Blick auf Marias Büro riskieren.
    Genau über der Plaza zuckten jetzt Blitze über den schwarzen Himmel. Fast im selben Moment dröhnte ein furchtbarer Donnerschlag. Carmen rannte an den Häusern entlang. Nun begann es auch noch zu schütten – wie Flutwellen, wie Wände aus Wasser, so prasselte der Regen auf sie herab. Eine Sekunde später war sie nass bis auf die Haut. Dampf stieg vom Boden, von Häusern und Bäumen
    auf. Warmes Wasser lief Carmen aus Ärmeln und Hosenbeinen.
    Wieder und wieder zuckten Blitze über den Himmel und die Erde erbebte unter Donnerschlägen.
    Vor dem Eckhaus blieb Carmen stehen. Durch die Wand aus Regenwasser sah alles verfremdet aus – als ob man durch die Brille eines anderen schaute oder durch beschlagenes Glas. Sie trat näher an die Tür heran, aus der eben Cingalez und der Uniformierte gekommen waren. »Archäologisches Institut – Büro Flores, Guatemala« stand auf einem Metallschild. Carmen drückte vorsichtig auf die Klinke. Aber die Tür war verriegelt, wie sie es erwartet hatte.
    Schließlich hatte Cingalez eben vor ihren Augen mehrfach den Schlüssel umgedreht.
    Sie wollte sich schon abwenden, da bemerkte sie den verblichenen Zettel, den jemand hinter die kleine Glasscheibe in der Tür geklebt hatte. Die Scheibe war nahezu blind vor Alter oder Schmutz und außerdem mit Regentropfen wie mit einer glitzernden Gänsehaut bedeckt. Carmen wischte mit der Hand darüber und entzifferte die auf Spanisch hingeworfenen Worte »Geschlossen bis 31. August«.
     
    Der Regen hatte ein wenig nachgelassen, als Carmen wieder vor dem Eisentor in der Calle Antiguedad stand. Sie fingerte nach ihren Schlüsseln. Das durfte doch nicht wahr sein! Hektisch wühlte sie in ihrer Tasche herum. Die schmierigen Geldscheine, ihr Schminkzeug, das unbrauchbare Handy, Kugelschreiber, Lippenstift, das schmuddelige Bündel mit der Maske – da! Sie zog den Bund hervor. Selbst die Schlüssel fühlten sich durchnässt an.
    Während sie die Calle Antiguedad hinuntergelaufen war, hatte sie mit jedem Schritt fester geglaubt, dass Maria längst wieder zu Hause war. Vielleicht war ihre Mutter nur rasch mit diesem Boot mitgefahren, weil Gomez ihr etwas ganz Wichtiges zeigen wollte? Und dann war sie in die Bodega zurückgekommen und Carmen war nicht mehr da gewesen!
    Die letzten hundert Meter war sie beinahe gerannt, obwohl der Regen ihre

Weitere Kostenlose Bücher