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Goethe - Kunstwerk des Lebens: Biografie (German Edition)

Goethe - Kunstwerk des Lebens: Biografie (German Edition)

Titel: Goethe - Kunstwerk des Lebens: Biografie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rüdiger Safranski
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Unterwürfigkeit. Er hatte mit seinem Theaterstück »Sturm und Drang« der ganzen Bewegung den Namen gegeben. Klinger, der begabte Sohn einer armen Witwe, war in Goethes Elternhaus ein und aus gegangen und wurde von der Mutter und später von Goethe selbst finanziell unterstützt. Er hatte Jura studiert und schlug sich als Hauslehrer durch. Mit seiner kraftvollen Natur erweckte er durchaus den Eindruck, daß er sich auch selbst zu helfen wisse. Anna Amalia, die empfänglich war für robuste männliche Schönheit, bemühte sich für ihn um eine Stelle im auswärtigen Militärdienst. Klinger wird später eine glanzvolle Offizierskarriere am Zarenhof machen, er wird geadelt, kommt zu Vermögen und verfolgt aus der Ferne das literarische Leben in Deutschland, schreibt auch selbst noch einige Erziehungsromane, in denen er seine Treue zu den Idealen der Jugend bekundet: Aufrichtigkeit, Direktheit, Natürlichkeit und Stolz. Bisweilen äußert er sich kritisch über Goethes Werke. Gleichwohl wird Goethe später mit dem hoch dekorierten Generalleutnant und Kurator der Universität Dorpat brieflichen Umgang pflegen, kühl aber respektvoll, und er wird nach dessen Tod von ihm sagen:
Das war
ein treuer, fester, derber Kerl wie keiner. In früher Zeit hatte ich auch viele Qual mit ihm, weil er auch so ein Kraft-Genie war, das nicht recht wußte, was es wollte.
    Klinger war nun also im Sommer 1776 in Weimar erschienen in Begleitung von Christoph Kauffmann, dem wandernden Charismatiker der ›Sturm und Drang‹-Bewegung. Einst ein Apothekergehilfe, dann Wundarzt und Wunderheiler, schließlich Wanderprediger des sogenannten natürlichen Menschentums, zog er bedeutende Geister an: Lavater, Hamann, Herder und sogar der skeptische Wieland waren zeitweilig von diesem wunderlichen Mann beeindruckt, der mit lang wallenden Haaren, einem grünen Kaftan, nackter Brust und einer Pelzkrause herumzog. Er war kein literarisches
Kraft-Genie
, aber ein Kraft-Apostel und Seelenfänger. Als eine bizarre Erscheinung bestaunte man ihn auch in Weimar eine Weile lang und war dann doch erleichtert, als er wieder abzog. An die frohen Tafelrunden, zu denen er anstiftete, dachten manche später mit Grausen. Böttiger etwa erzählt, wie ein »Geniegelag« gehalten worden sei, »das sich gleich damit anfing, daß alle Trinkgläser zum Fenster hinausgeworfen, und ein paar schmutzige Aschenkrüge, die in der Nachbarschaft aus einem alten Grabhügel genommen worden waren, zu Pokalen gemacht wurden.« Klinger soll sich bei dieser Gelegenheit hervorgetan haben, indem er rohes Pferdefleisch aß, und Kauffmann verspeiste Blumen aus dem Park.
Ich preise die Götter
, schrieb Goethe, nachdem der ganze Spuk vorbei war.
    Wenn Goethe diese Freunde so schnell wie möglich los werden wollte, so lag das nicht an mangelnder Großzügigkeit. Großzügig konnte er sich durchaus zeigen, etwa als zur selben Zeit ein verwaister Hirtenjunge aus der Schweiz vor der Tür stand. Ein Bekannter Goethes von der Schweizer Reise her, der Baron von Lindau, hatte den Jungen als Patenkind angenommen, war dann nach Amerika ausgewandert, und hatte ihn mittellos zurückgelassen. Goethe nahm ihn für einige Zeit bei sich auf, versorgte ihn, erzog ihn, doch ohne Erfolg. Der Bursche rauchte den ganzen Tag Pfeife und stellte den Mädchen auf variable Weise nach. Goethe gab ihn dann dem Oberförster in Ilmenau in Pflege. Aber auch dort gedieh er nicht, einige Jahre später verschwand er. Goethe hatte viel Sorge, Mühe und Geld aufgewendet und, wie er glaubte, nichts damit erreicht.
    Ein anderes Beispiel für Goethes Großzügigkeit und Hilfsbereitschaft war Johann Friedrich Kraft, das war der angenommene Name eines Mannes unbekannter Herkunft. Es handelte sich um einen gescheiterten Beamten, der sich in einer ausweglosen Lage mit einem Bittgesuch an Goethe gewandt hatte. Dieser Hilferuf des Unglücklichen beeindruckte Goethe so sehr, daß er ihn über zehn Jahre mit jährlich 200 Talern (das war anfangs immerhin ein Sechstel des eigenen Gehalts) unterstützte und ihm in Ilmenau und Jena kleinere Verwaltungsaufgaben übertrug, die er zufriedenstellend wenn auch umständlich erledigte. Doch seelisch war dem verbitterten und hoffnungslosen Menschen wohl nicht zu helfen. Goethes Briefe an ihn zeigen eindrucksvoll, mit welcher Beharrlichkeit und welchem Feingefühl sich Goethe des Schutzbefohlenen annahm. Als er ihm beispielsweise das Angebot einer Stelle in Jena unterbreitete, schrieb er ihm:
Handeln

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