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Goethe - Kunstwerk des Lebens: Biografie (German Edition)

Goethe - Kunstwerk des Lebens: Biografie (German Edition)

Titel: Goethe - Kunstwerk des Lebens: Biografie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rüdiger Safranski
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anzustacheln, an seine Ehefrau und an die stürmischen Zeiten ihrer ersten Liebe denkt:
Auf einmal ist er da und ganz im Stillen / Erhebt er sich zu allen seinen Prachten. / So steht er nun dem Wandrer ganz zu Willen.
Nun verlangt es den Reisenden nicht mehr nach der schönen Bedienerin, er will eilends nach Hause in die Arme seiner Frau. So rettet die Physiologie die Tugend.
    Anmerkungen

Neunundzwanzigstes Kapitel
    Abschiede. Anna Amalia. Die Mutter. Anlaß zum Rückblick. Die Arbeit
    an der Autobiographie beginnt. Selbstreflexion. Wieviel Wahrheit ist
    möglich, wieviel Dichtung ist nötig? Die erzählte Zeit und die Zeit des
    Erzählens. Erinnerungen ans alte Reich und die neuen Machtverhältnisse.
    Nachdenken über das Dämonische. Noch ein Abschied:
    der Tod Wielands. Gedanken über Unsterblichkeit.
    Schillers Tod war bekanntlich einer der großen Abschiede gewesen, die in Goethe den Gedanken an einen Lebensrückblick, an eine Autobiographie, reifen ließen. Andere Abschiede, die das Gefühl einer Zäsur wachriefen, waren der Tod der Herzoginmutter Anna Amalia am 10. April 1807 und der Tod der eigenen Mutter am 13. September 1808.
    Vieles verband Goethe mit Anna Amalia. Sie war es damals im Jahre 1775 gewesen, die aus dem anfänglich nur als Besuch gedachten Aufenthalt in Weimar eine dauerhafte Bindung an den Ort und an die fürstliche Familie machte. Anna Amalias ›Musenhof‹, wo zunächst Wieland den geistigen Mittelpunkt bildete, hatte Goethe vom ersten Augenblick an angezogen. Anna Amalia, von der französischen Aufklärung geprägt, strebte die Verbindung von Adel und Bürgertum im Zeichen der künstlerischen und wissenschaftlichen Bildung an, und in diesem Sinne sorgte sie lange Zeit für den inneren Zusammenhalt einer Geselligkeit mit großer Strahlkraft, zuerst in Tiefurt, dann im Wittumspalais und auf dem ländlichen Sommersitz Schloß Ettersburg. Dort waren einst die »Iphigenie« und andere kleinere Stücke Goethes zur ersten Aufführung gelangt, gespielt von Mitgliedern des geselligen Kreises. Dort fand Goethe in den ersten Weimarer Jahren sein eigentliches Publikum, während er für die größere Öffentlichkeit so gut wie verschwunden war. Nicht auf dem öffentlichen Buchmarkt, sondern im handschriftlichen und von Anna Amalia gelegentlich persönlich redigierten »Journal von Tiefurt« waren manche Gedichte Goethes aus dieser Zeit zum ersten Mal erschienen. Anna Amalia hielt sich auch sonst an Goethe, der sie mit seiner Italiensehnsucht ansteckte. Sie war nach ihm in den Süden gereist. Er holte sie 1790 in Venedig ab und geleitete sie nach Hause zurück. Ihr las er die »Römischen Elegien« vor, allerdings aus naheliegenden Gründen nicht alle. Einen Auswahlband seiner »Venezianischen Epigramme« versah er mit der Verswidmung:
Sagt, wem geb ich dies Büchlein? Der Fürstin die mir’s gegeben, / Die uns Italien jetzt noch in Germanien schafft.
Das Lob war stark aufgetragen. Er war, als er es formulierte, so dankbar über die Briefe Winckelmanns, die er von ihr erhielt und die er in seinem Buch über ihn veröffentlichen durfte. Dort stattet er ihr nochmals Dank ab mit der rühmenden Bemerkung, die Herzoginmutter habe den Anfang
einer glänzenden Epoche
herbeigeführt.
    Im Konflikt mit allzu adelsstolzen, konservativen Kräften in Weimar hatte Anna Amalia Goethe stets den Rücken gestärkt. So eng war die Verbindung in den ersten Weimarer Jahren gewesen, daß man sogar von einem Liebesverhältnis munkelte und Charlotte von Stein ein wenig eifersüchtig wurde. In einem kleinen Festspiel von 1800, verfaßt zur Nachfeier des Geburtstages von Anna Amalia, »Paläophron und Neoterpe« betitelt, heißt es von ihr:
Und unsern Bund hat
Sie
begründet in der Stadt.
    Für Goethe war Anna Amalia der gute Geist einer ganzen Epoche seines Lebens. Ihr Tod verstärkt Goethes elegische Grundstimmung und das Gefühl einer Zeitenwende. Nach dem Oktober 1806 hat sich auch sonst vieles verändert, politisch, militärisch, gesellschaftlich. Bewährtes und Gewohntes verschwindet.
Der Unterschied gegen vorige Zeiten
, schreibt er einige Wochen nach Anna Amalias Tod an Charlotte von Stein,
ist gar zu groß, das Alte ist vergangen und das Neue ist noch nicht worden
. In seiner Gedenkrede auf Anna Amalia, die im Herzogtum von den Kanzeln verlesen wurde, deutet Goethe an, Amalia habe den Zeitenbruch wohl nicht verkraftet, ihr
Herz
habe
gegen den Andrang irdischer Kräfte
nicht länger
gehalten
.
    Im nächsten Jahr, am

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