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Goethe - Kunstwerk des Lebens: Biografie (German Edition)

Goethe - Kunstwerk des Lebens: Biografie (German Edition)

Titel: Goethe - Kunstwerk des Lebens: Biografie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rüdiger Safranski
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Großes an mir, auch um dein selbst willen«.
    Die Reise über Bensberg nach Köln, die Übernachtung im Gasthaus ›Zum Geist‹, das Gespräch über Spinoza, Goethes Rezitieren in der Mondnacht – das alles machte auf Jacobi einen überwältigenden Eindruck, an den er sich erinnerte, wenn die Freundschaft wieder einmal in eine Krise geriet. »Ich hoffe du vergissest in dieser Epoche nicht 〈...〉 der Laube, in der du über Spinoza, mir so unvergeßlich, sprachst; des Saals, in dem Gasthofe zum Geist, wo wir über das Siebengebirge den Mond heraufsteigen sahen, wo du in der Dämmerung auf dem Tische sitzend uns die Romanze: Es war ein Buhle frech genug – und andere hersagtest ... Welche Stunden! Welche Tage! – Um Mitternacht suchtest du mich noch im Dunkeln auf – Mir wurde wie eine neue Seele. Von dem Augenblick an konnte ich dich nicht mehr lassen.«
    Beim Abschied hatte Jacobi einen Besuch in Frankfurt angekündigt. Am 12. Dezember 1774 wurde Goethe, als er gerade in einem abgedunkelten Raum malte, ein Besucher angekündigt und er sah schattenhaft eine hohe, schlanke Figur sich nahen. Er glaubte, es sei Fritz Jacobi und eilte ihm mit ausgebreiteten Armen entgegen. Es war aber Knebel.
    In diesem Augenblick begann Goethes Geschichte mit Weimar. Karl Ludwig von Knebel, ein preußischer Offizier und Liebhaber der Künste und Literatur, war erst unlängst als militärischer Informator des Prinzen am Weimarer Hof eingestellt worden. Knebel und Johann Eustachius Graf von Görtz, der Erzieher des Erbprinzen, waren die Reisebegleiter des siebzehnjährigen Thronerben Karl August und seines jüngeren Bruders. In Mainz sollten Verhandlungen geführt werden wegen der Verlobung Karl Augusts mit der hessischen Prinzessin Luise. Danach wollte man nach Paris weiterreisen.
    Der literaturbesessene Knebel wollte zunächst nur aus eigenem Interesse Goethe kennen lernen, doch schon nach wenigen Augenblicken war ihm klar, daß er diesen Mann auch dem künftigen Herzog vorstellen sollte. Er nennt ihn in einem Brief an Bertuch »eine der außerordentlichsten Erscheinungen« seines Lebens. Noch am selben Tage traf Goethe im ›Roten Haus‹ zum ersten Mal mit Karl August zusammen. Man sprach über »Werther«, und über Justus Mösers »Patriotische Phantasien«, die Goethe soeben gelesen hatte. Die dort entwickelte und von Goethe offenbar mit großer Sympathie wiedergegebene Verteidigung der traditionsverbundenen Lokalvernunft kleiner Staaten, die sich der gleichmacherischen Tendenzen staatlicher Großgebilde zu erwehren hätten, muß dem künftigen Herzog eines Kleinstaates angenehm in den Ohren geklungen haben. Görtz war in dieser Runde der einzige, dem das viel bewunderte Genie überhaupt nicht gefiel: »Dieser Goethe ist ein ordinärer Kerl ... Das ist sicher; Goethe und ich werden uns nie im selben Zimmer befinden«.
    Die Einladung erging an Goethe zu einem Zeitpunkt, da er wieder einmal in einer komplizierten Liebesgeschichte steckte mit der siebzehnjährigen Elisabeth, genannt Lili Schönemann, Tochter aus sehr wohlhabendem Hause. Die Schönemanns besaßen eines der großen Bankhäuser in Frankfurt. Die tatkräftige Mutter führte nach dem Tod ihres Mannes das Geschäft im Stadtpalais am Kornmarkt. Die verwandtschaftlich weit verzweigte und das elegante gesellige Leben pflegende Familie gehörte zur reformierten Gemeinde, wo man auf Abstand hielt. Man führte ein großes Haus und blieb dabei doch gerne unter sich. Das wird in der Geschichte zwischen Goethe und Lili noch eine Rolle spielen.
    Irgendwann im Januar 1775 verliebte sich Goethe bei einer Abendgesellschaft in die junge Frau, die einiges auf dem Klavier vorspielte. Es begann die Fastnachtsaison mit den geselligen Festen, Redouten und Maskenbällen, und dort traf sich das Paar und tanzte ganze Nächte hindurch. Wir sind recht gut darüber informiert, was in Goethe damals vorging, weil er sich eine andere Frau erkoren hatte, vor der er in Briefen die gerade aktuelle Geschichte seiner Seele ausbreiten konnte. Es war Auguste Gräfin zu Stolberg, die Schwester der Stolberg-Brüder, mit denen Goethe im Sommer 1775 seine erste Reise in die Schweiz unternahm. Die zweiundzwanzigjährige Gräfin zu Stolberg, die dem Kreis um Klopstock angehörte, war vom »Werther« so hingerissen, daß sie dem Autor Anfang 1775 anonym schrieb, und Goethe war wiederum von diesem Brief so entzückt, daß er sich in die Verfasserin, die einstweilen nur ein Phantom war, ein wenig verliebte. Er

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