Goethe - Kunstwerk des Lebens: Biografie (German Edition)
Goethe seinerseits war ja auch eifersüchtig gewesen auf Schlosser. Nur eine
Ahnung der ernsten Gefühle
beim Besuch der Schwester wolle er dem Leser vermitteln, heißt es lakonisch in »Dichtung und Wahrheit«.
Die Reise in die Schweiz führte zunächst nach Zürich, wo Goethe einige Zeit bei Lavater zu Gast war, dessen Freundeskreis kennen lernte und dort auch die lebenslange Verbindung mit Barbara Schultheß anknüpfte, seiner
treuesten Leserin
, wie er sie einmal nannte. Von Zürich ging es weiter zum Vierwaldstätter See und in die Gegend des Wilhelm Tell. Dann in die Hochalpen, zum Gotthard. Auf der Paßhöhe erlebte er, wie bei späteren Reisen, die Versuchung, einfach nach Italien weiterzuziehen. Man kehrte schließlich doch um. Auf dem Rückweg blieb er noch einige Zeit in Zürich bei Lavater und den dort neu gewonnenen Freunden und Bekannten. Am Zürichsee bekam man Ärger mit den ehrbaren Leuten, die sich über die nackt badenden jungen Männer empörten und sie mit Steinen bewarfen. Anders die gebildete Welt in Zürich und Basel, die wollte den Autor des »Werther« unbedingt kennen lernen. Manche waren enttäuscht, wenn Goethe sich zugeknöpft zeigte. Manche fanden ihn arrogant, eitel und in seine Paradoxe verliebt. »Ich bewundere das Genie dieses Mannes im höchsten Grade – obwohl ich den Gebrauch gar nicht liebe den er davon machet«, notierte der Ratsschreiber Isaak Iselin aus Basel.
Nach zwei Monaten begann die Rückreise. Man kam wieder über Straßburg. Dort verbrachte Goethe wie bei der Hinreise einige Zeit mit Lenz – »Ich habe mit Goethen Göttertage genossen«, schrieb dieser. Die beiden besuchten die Bekannten von damals, die Gasthäuser. Sie bestiegen noch einmal das Münster und unternahmen Ausflüge zu den beliebten Plätzen in der Umgebung. Doch nach Sesenheim hinüber, zu Friederike, ritt Goethe nicht. Auch Cornelia in Emmendingen erstattete er keinen zweiten Besuch.
Ende Juli kehrte Goethe nach Frankfurt zurück. Der erste Brief nach der Ankunft ging an Auguste:
Wenn mir’s so recht weh ist, kehr ich mich nach Norden
〈...〉
Gestern Abend Engel hatt’ ich so viel Sehnen zu Ihren Füßen zu liegen, Ihre Hände zu halten
〈...〉
Ich habe mich so oft am Weiblichen Geschlecht betrogen – O Gustchen wenn ich nur einen Blick in Ihr Aug tun könnte!
Die Beziehung zu Lili blieb unentschieden. Die Reise hatte daran nichts geändert. Goethe suchte Nähe zu Lili und scheute zugleich die Bindung. Einmal sitzt er in Lilis Abwesenheit an ihrem Tisch und schreibt sich den Kummer von der Seele – an Auguste:
Hier in dem Zimmer des Mädchens das mich unglücklich macht, ohne ihre Schuld, mit der Seele eines Engels, dessen heitre Tage ich trübe, ich!
Lili kommt zurück, erstaunt, ihn in ihrem Zimmer anzutreffen, an ihrem Schreibtisch. Sie fragt, an wen er geschrieben habe. Er sagt es ihr. Das alles schildert Goethe minutiös, doch nichts über Lilis Reaktion. An Merck schreibt er zur selben Zeit in einem anderen Ton:
Ich bin wieder scheißig gestrandet, und möchte mir tausend Ohrfeigen geben, daß ich nicht zum Teufel ging da ich flott war.
Lili und Goethe verabreden, sich eine Weile lang nicht zu sehen. Das hilft nichts. Goethe an Gustchen:
Unglücklicher Weise macht der Abstand von mir das Band nur fester das mich an sie zaubert
.
Es gibt einen zeitgenössischen Bericht, wonach es Lilis Mutter war, welche endlich die Initiative ergriff, um dem unklaren Zustand ein Ende zu setzen. Ein Herr von Bretschneider, der Goethe nicht wohlgesinnt ist, berichtet die Ereignisse – oder war es nur ein Gerücht? – in einem Brief an Nicolai: Goethe habe endlich förmlich um Lili angehalten, »die Mutter bat sich Bedenk Zeit aus, ließ nach einigen Wochen Göthen zum Essen bitten und deklarierte in einer großen Gesellschaft Göthens Ansuchen mit der Antwort daß sich die Heirat wegen der Verschiedenheit der Religion nicht wohl schicke. Eine Grobheit die Göthe freilich sehr übel nehmen mußte, weil sie ihm dieselbe eben so wohl hätte allein sagen können, die Frau sagt aber, sie hätte der Sache auf einmal ein Ende zu machen kein besseres Mittel gewußt und sich bei einer Zusammenkunft tête à tête für seinem Disputieren gefürchtet.« Die letzte Bemerkung ist so treffend, daß man geneigt ist, auch dem Rest Glauben zu schenken.
Im September 1775 reiste Karl August, inzwischen volljährig und Herzog, nach Karlsruhe, zur Hochzeit mit Prinzessin Luise. Er machte Zwischenstation in Frankfurt.
Weitere Kostenlose Bücher