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Goethe

Goethe

Titel: Goethe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert von Trentini
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nicht verfallen ist! Und er hat jetzt – Italien! Weil sie ihn nicht mehr ausgefüllt hatte, war er nach Italien geflohen! Und kommt er nun wieder, und füllt sie ihn nun wieder nicht aus, –
    Wenn er aber nicht wiederkommt?
    »O Gott! Gott! Gott!« Die hochaufgerichteten Arme an die Pfosten der Tür gestemmt und das verzweifelte Antlitz auf diese zitternden Arme gelegt, weinte sie hilflos. Wenn er jetzt käme, nur ein einziges gutes Wort sagte, mit seinen alten Armen sie umfinge, – »o, ehrfürchtig dich preisen und loben wollte ich, Gott, danken inbrünstig dem Strohhalm, der mir ins Meer hinaus gereicht würde, all meinen unseligen Stolz einstecken, diese hochmütige Fordersucht, Zerstörungswut, Kleinlichkeit, Sprödheit, Eifersucht, Neidischkeit, Scheelsucht, Mißgunst, Schwachherzigkeit, und dies versteinte Herz weich machen, – nur damit ich nicht mehr so allein sein müßte; so unfruchtbar all . . .«
    * * *
    »Lotte!«
    Und sie lag in seinem Arm. Göttliche Flut in Seele und Gliedern. Wie im Rausch eines sonnigen Wirbels umlichtete ihr Mensch sich. Es war der alte Arm, der sie hielt. Und die Lippen die alten, die sie küßten. Er sagte nur noch einmal: »Lotte!« Dann nichts mehr. Dieses aber hatte er leise, lächelnd, fast beschwörend gesagt. Sie fühlte aufschwebend: wie rast ihm das Herz! Hatte er sich seit Monaten gefürchtet vor dieser Stunde? Oder sich monatelang gesehnt nach dieser Stunde? Sehen konnte sie, wollte sie ihn nicht. Nur: »Er ist wieder da!« Andächtig staunend, halb unbewußt, streichelte sie seine Hand. Schmiegte das Gesicht tiefer an ihn. Seufzte. Ach, seufzte. Löste sich endlich, erlöst, von ihm.
    Und sah ihn nun. Und sagte noch während dieses ersten Blicks, unbewußt: »Also bist du auch zu mir gekommen!«
    Wie aus großer reicher Nacht heraus lächelte er.
    »Zuletzt auch zu mir?«
    »Ich mußte wohl zuerst zum Herzog?«
    Mit verzweifelten Fingern, verzweifelt, zerdrückte sie den unwiderstehlichen Zwang ihres verhexten Wesens, zu vernichten, obwohl es gerettet schon aufbauen wollte; würgte machtlos die Ohnmacht hinab, gegen diesen Zwang aufzukommen. Er war stärker als sie. »Die ganze Stadt hat dich schon gesehen!«
    »Ich – konnte nicht früher.«
    Der Teufel, so tapfer sie sich auch gegen ihn wehrte, riß sie tiefer noch in die Krallen. »Man weidete sich schon daran, daß du mich für zuletzt aufspartest. Ganz Weimar!«
    Er blickte, ohne zu antworten, im Raume umher. Alles wie einst! Und alles lebte noch! Atmete noch! Und alles Erlebte sitzt untötbar da drinnen im Herzen! Mit völlig gleichmütigem Auge streifte er die Frau. Er hatte sich schon zwischen den Zaubern Roms bis zum Bleichwerden vor dieser Stunde gefürchtet. Die Angst vor diesem Wiedersehen die Räder seines Wagens, der von Italien herauffuhr, tückisch gehemmt. Er war, ehvor er die paar Schritte da herüber getan hatte, stundenlang in der engen, versperrten Stube zu Hause auf und nieder gegangen, zögernd vor dem Schwert dieser Stunde. Und nun drohte von diesem Schwerte her nichts mehr! Diese Frau, mit dieser Frau hatte er mehr als die Liebe zwischen Mann und Frau erlebt. Er liebte diese Frau nicht mehr als Mann. »Aber als Mensch muß ich sie, solange ich lebe, noch lieben!« Diese Frau allein konnte auch verstehen, warum er nun Heimweh litt. Und weil sie wissen mußte, wie ihre Gemeinschaft jenseits von Liebe und Kälte lag, auch verstehen, warum er auch dieses Leid bedürftig zu ihr hintrug. »Du empfängst mich nicht lieb, Lotte!« sagte er unschuldig; er sah keine Gefahr mehr.
    »Hast du dir einen anderen Empfang erwartet?«
    Fest sah er sie an. Erkannte ohne Erstaunen: alt ist sie geworden. Ohne Erstaunen: sie möchte so gerne weich sein, zergehen in der Freude des Wiedersehens. Sich ganz vergessen und hingeben dieser Freude, ohne die sie diese Nacht nicht ertragen hätte. Aber es war von allem Anfang viel Eitelkeitsstolz in ihrer Liebe gewesen! Den Stolz der Beleidigten mag sie nicht einstreichen; sich zur demütig genießenden Wonne des Wiedervereintseins zu entschließen, vergönnt sie sich nicht, ehevor sie mir nicht gezeigt hat: Du hast mich zu Tode gekränkt. »Gewiß!« sagte er, indem er sich setzte. »Ich war und bin sicher, nur von dir so empfangen zu werden, wie ich es nach dieser Heimkehr bedarf.«
    Ich liebe dich! Liebe dich! Blühe wieder auf, weil du nur endlich wieder da bist! Ich habe alles vergessen! Es war ja nichts Böses, was du mir angetan hast! Nimm mich nur wieder

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